[Deutschland] Thomas Meyer-Falk: Datenschutz im Justizvollzug – ein Beispiel

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Der Datenschutz, dem verfassungsrechtlich eigentlich eine hervorgehobene Bedeutung zukommen sollte, droht im Gefängnisalltag immer wieder unter die Räder zu kommen. Mitunter macht es auch den Anschein, als sei er zumindest einem Teil der Beschäftigten eher lästig. Wer sich als Insasse oder Insassin darauf beruft gilt schnell als Querulant/in.

Herr Schmitt bekommt eine Stellungsnahme

Der seit einem knappen Jahr in der JVA Freiburg in Sicherungsverwahrung (SV) sitzende Herr Schmitt (alle Namen geändert) bekam kürzlich von der ihn behandelnden Stationspsychologin Frau Hammer einen Entwurf einer von ihr verfassten Stellungnahme zugeleitet, welche diese anschließend an das Gericht senden wollte um über den bisherigen Vollzugsverlauf zu berichten. Irritiert war Schmitt darüber, dass er aus seiner Sicht als der beste Freund zweier Sexualtäter auf der Station dargestellt wurde. Mit den beiden sitzt er tatsächlich öfters zusammen; und sie kochen und essen auch gemeinsam. Kurzerhand hatte also Frau Hammer die beiden Insassen ihm gegenüber dadurch als Sexualtäter geoutet.

Dass Schmitt, er selbst ist nicht wegen Sexualtaten in der SV, mit mir fast täglich zusammensitzt kam gar nicht in der Stellungnahme vor und so fragte er sich, welches Bild da über ihn vermittelt werden sollte. Aber er sprach auch die beiden als Sexualtäter geouteten Mitinsassen an.

Erste empörte Reaktion

Walter, er ist Mitte 30, war schockiert darüber, dass Frau Hammer ungefragt einem anderen Insassen mitteilte, dass er Sexualtäter sei und fragte sich und auch sie, ob angesichts solch eines Vorgehens noch eine Vertrauensbasis bestehe. Frau Hammer rief ihn schließlich in seiner Zelle an und nach Walters Aussage, habe sie ihm gegenüber ihr Vorgehen bedauert. Aber im selben Gespräch sei sie auf einen anderen Insassen einer anderen Station zu sprechen gekommen. Über diesen habe sie ihm berichtet, er sei Teilnehmer im BPS, dem Behandlungsprogramm Sexualtäter, beides sei ihm bislang in dieser Form nicht bekannt gewesen, so Walter.

Wenn der Vorgang so zutreffen sollte, hat Frau Hammer sich also erst für einen Fehler entschuldigt, um dann gleich einen anderen Insassen zu outen.

Der Fortgang der Affäre

Ein Wochenende später führten wohl Walter und Frau Hammer ein persönliches Gespräch; als er davon zurückkehrte kam er auf mich zu und teilte mir mit, dass Frau Hammer diesmal meine Person erwähnte und mitgeteilt habe, ich würde ja mit ihr seit Jahren therapeutische Gespräche führen, so die Darstellung von Walter. Er lebt erst seit kurzem auf derselben Station wie ich und wirklich viel habe ich im Alltag nicht mit ihm zu tun, fand es aber bemerkenswert, was alles Frau Hammer für mitteilenswert erachtet.

Das Problem – die juristische Seite!

Was für Außenstehende wie eine Petitesse anmuten mag, führt schnell in den Kernbereich des Datenschutzes, des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, wonach nämlich der Staat ihm bekannt gewordene personenbezogene Daten eigentlich nur unter engen Voraussetzungen an Dritte weitergeben darf. Es gibt Sexualtäter die, vielleicht verständlicherweise, nicht wollen, dass allgemein bekannt wird, dass sie Sexualverbrechen begangen haben. Dass man dies dann unter Umständen einem Insassen, und dies sogar noch in Schriftform, mitteilt, der im selben Schriftsatz als hochgefährlich eingestuft wird, irritiert zumindest. Im baden-württembergischen Justizvollzug ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten umfänglich geregelt (§§ 27 ff JVollzGB-1; die Übermittlung von Daten wird dann in den §§ 34 ff näher ausgestaltet), jedoch scheint keiner der Erlaubnistatbestände vorzuliegen, der es Frau Hammer gestatten würde, Insassen darüber zu informieren, ob diese wegen Sexualtaten einsitzen, ob und wenn ja welche Therapieprogramme sie besuchen und ob und wenn ja wie oft sie mit ihr sprechen.

Wir hätten also einerseits, sollte sich im weiteren Verlauf des Verfahrens, aktuell liegt eine erste Beschwerde beim Landesbeauftragten für Datenschutz, das Vorgehen von Frau Hammer bewahrheiten, mehrere Verstöße gegen den Datenschutz zum Nachteil verschiedener Insassen. Interessanterweise werden Insassen von gruppentherapeutischen Maßnahmen ausgeschlossen, wenn sie sich ihrerseits nicht an das Vertraulichkeitsgebot halten und Informationen die sie dort über andere Gruppenteilnehmer erhalten, nach außen tragen.

Das Problem – die psychologische Seite!

Andererseits fühlen sich jene Insassen die tatsächlich in einer engeren therapeutischen Beziehung zu und mit Frau Hammer, aber auch anderen Bediensteten der Anstalt, stehen unwohl und sind besorgt. Eine ernsthafte therapeutische Beziehung setzt Vertrauen auch in die Verschwiegenheit der Handelnden voraus, gerade weil eine Vielzahl der Insassen aus „broken-home“ Konstellationen stammt, sie es bislang oftmals nicht gelernt haben Vertrauen aufzubauen, könnte solch ein Vorgehen wie das von Frau Hammer, nachhaltig schädliche Folgen zeitigen. Sicherlich, man könnte den Insassen entgegen halten, sie sollen nicht so empfindlich sein, angesichts des Leids das sie anderen angetan haben. Aber das würde dann dennoch nicht ein mögliches Vorgehen wie das von Frau Hammer rechtfertigen. Und ganz pragmatisch gedacht ist es nun mal tatsächlich so, dass dort kein Vertrauen entstehen kann, wo Mensch jederzeit damit rechnen muss, dass ein/eine Therapeut/in Informationen sogar an andere Insassen weiterreicht.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Nun hat sich das Personal der JVA Freiburg in den vergangenen Jahren immer wieder hervorgetan durch Verletzungen des Datenschutzes, beanstandet wurde das illegale Abrufen von Daten aus dem Dienstrechner, die illegale Weitergabe der dort abgerufenen Daten, die illegale Erhebung von Daten in Gegenwart anderer Insassen und anderes mehr.

Aus psychologisch-psychiatrischer Sicht wird dann ein konsequentes Vorgehen gegen solche Verstöße pathologisiert, als Versuch von Manipulation und unstatthafter Machtausübung. Frau Hammer ist der Ansicht, angenommene oder tatsächliche Verstöße sollten zwischen Insassen und Bediensteten besprochen und weniger in Form von Eingaben und Beschwerden verfolgt, die eigenen Gefühle thematisiert und analysiert werden. Das sei allemal hilfreicher und sozial kompetenter als der Beschwerdeweg.

Grundkenntnisse über die datenschutzrechtlichen Bestimmungen und der dieser Rechtslage angepasste Praktiken und Beschwerdemöglichkeiten erscheinen also durchaus noch ausbaufähig. Letztlich steht das hier skizzierte Verhalten von Frau Hammer aber exemplarisch für den alltäglichen Umgang mit Daten im Justizvollzug.

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),

Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg

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