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Kürzlich las ich davon, die Arbeit sei die Ursache nahezu allen Elends in der Welt. Fast jedes erdenkliche Übel gehe aufs Arbeiten zurück. Oder auf eine fürs Arbeiten eingerichtete Welt.
Wer darf sich denn heutzutage noch mit ganzem Wesen in die Herstellung eines Tischs hineinlegen wie die Schreinerin? Jedes Teil des Tischs selbst herstellend, den Tisch geradezu beim wachsen zusehen könnend!?
Wer darf sich heutzutage noch mit jeder Faser seines Körpers, und auch seiner Seele in eine Melodie hineinlegen wie der Gittarist, der die Saiten zum klingen bringt?
Stattdessen besteht die abverlangte Arbeitsleistung für die Mehrheit der Arbeitenden aus bloßen Fragmenten. Aus Fragmenten mit welchen sich nurdie allerwenigsten Menschen identifizieren können. Sei es am Fließband,sei es in den Hallen der Versandunternehmen, sei es an der Kasse der Warenhäuser, wo im Akkord die Konsumprodukte über den Scanner gezogen werden. Stets ein fragmentarisch bleibender Handgriff.
Die Rede von der „Humanisierung der Arbeit“ ist bloßes Geschwätz. Hier in den Knästen der Republik, aus welchen ich seit 25 Jahren berichte, beugen sich nämlich tagtäglich tausende Einsitzende über Kisten voller toter Dinge, welche sie im Akkord zu bearbeiten haben.
Beispielsweise Kugelschreiber die zusammenzudrehen oder Metallstücke die zu brechen sind. Einfachste, automatisierte Handgriffe, tunlichst schweigend und nur von kurzer Toiletten- oder Frühstückspause unterbrochen. Selbst das süße umspielt werden von Radiomusik ist vielorts untersagt.
So werden sie zugerichtet und vobereitet auf ihr Da-Sein nach der Haftentlassung. Mit 150 oder 200 Euro im Monat werden sie zurück in die Zellen geschickt, die arbeitsfreie Zeit wartend auf das Morgen zu verbringen. Vielleicht noch eine Stunde im Knasthof im Kreise spaziert!
Strukturell unterscheiden sich die Lebenslagen der Eingesperrten von jenen Menschen vor den Mauern vielfach nur in Details. Auch wenn die Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung dort draußen sicher vielfältiger sein mögen.
Aber ein erfülltes, ein buntes Leben besteht doch aus so viel mehr!
Dieses erfülltere, dieses buntere Leben können wie uns nur selbst aneignen, denn freiwillig gewähren wird es uns niemand!
Hierfür zu streiten, hierfür zu kämpfen dafür steht der 1. Mai!
Dafür muss künftig jeder Tag des Jahres stehen!
Herzschlagende und solidarische Grüße aus Freiburgs Haftanstalt!
Thomas Meyer-Falk