Quelle: enough is enough
Berlin. Am morgen des 16. Juni wurde die Rigaer Straße einschließlich Dorfplatz bis zur Zellestraße durch zahlreiche Menschen besetzt. Je Seite wurde um kurz vor 11 Uhr eine große Barrikade aus Reifen, Stacheldrahtverhauen, Baustellenmaterial und Müllcontainern errichtet. Dazu gab es je einen vorgelagerten brennenden Reifen.
Ursprünglich veröffentlicht von Kontrapolis.
Mit dem Annähern größerer Polizeikräften rund um das Gebiet wurden auch die großen Barrikaden in Brand gesetzt. Es kam bald zur Verteidigung mit Steinen und Feuerwerk gegen kleinere vorrückende behelmte Einheiten zu Fuß. Diese stellten ihre Annäherungsversuche dadurch wieder größtenteils ein. Über die nächsten zwei bis drei Stunden kam es zu keinem tauglichen Versuch, die Barrikaden einzunehmen. Jeder Schritt vorwärts ihrerseits wurde durch Bewurf im Ansatz unterbunden. Die Zeit wurde von den sich vermehrenden Leuten innerhalb des Bereichs genutzt, diese zu verstärken und zusätzliches Material zur Verteidigung bereitzustellen. Auch außerhalb der besetzten Zone vermehrten sich Leute und es kam zu solidarischen Parolen, Feuerwerksbatterien in angrenzenden Straßen wurden gezündet und auch in anderen Straßen wurde Barrikadenmaterial auf Straßen gelegt. Die Szenerie im Nordkiez wurde durch schwarze Rauchwolken und das Knallen von Feuerwerk aus der Rigaer geprägt. Die ehemalige Liebig34 war von schwarzem Rauch umhüllt und einige der neuen Fenster wurden spontan eingeworfen. Rings herum sammelte sich ein langsam anwachsendes Polizeikontingent. Nach ca. zwei Stunden trafen die ersten wohl schon vorher bestellten auswärtigen Einheiten ein, kurz danach, etwa gegen 12 Uhr wurde bekannt, dass Wasserwerfer und Räumpanzer auf dem Weg über die Karl-Marx-Allee sind. Die Lage war statisch geworden, eine in diesen Zeiten selten, aufregende Situation.
Das Ganze war nicht mehr anders als unter Einsatz schweren Geräts zu lösen. So kam es dann wenig später. Unter Bewurf näherten sich von Osten und Westen Wasserwerfer den brennenden Barrikaden, löschten die Brände und kühlten den aufgeschmolzenen Asphalt. Dann ging es mit den Panzern an der Spitze los um in das umkämpfte Gebiet vorzudringen, wo noch einige umliegende Balkone mit Wasser beworfen wurden. Zögerlich kamen wenig später auch die sonst so selbstbewussten Fußtruppen um die Ecken und kämpften sich vor bis in die der Rigaer94 gegenüberlegenden Hauseingänge. Das Feuerwerk setzte noch einmal zu einem Höhepunkt an, bevor sich die temporäre autonome Zone vollends auflöste und der Kiez beinahe nach offiziellem Zeitplan der totalen Kontrolle des Polizeiapparats unterworfen wurde. Nach ersten Einschätzungen gab es keine Festnahmen. Weitere Berichte von den anstehenden Ereignissen rund um die Rote Zone und der angeblichen Brandschutzbegehung der Rigaer94 werden sicher folgen.
Errichtung der Autonomen Zone
Ursprünglich veröffentlicht von Kontrapolis.
Wir haben in einer Blitzaktion die Rigaer Straße zwischen Zelle- und Liebigstraße zu einer Autonomen Zone gemacht. Mit Barrikaden an beiden Enden, mit vielen Leuten als Unterstützung versuchen wir damit der Einrichtung der Roten Zone zuvorzukommen, die von der Polizei für heute 15 Uhr vorgesehen ist. Die Rote Zone soll ein Gebiet der totalen Kontrolle dieses jahrzehnte umkämpften Straßenzugs darstellen. Wir haben zahlreiche Erfahrungen in den letzten Monaten und Jahren mit dieser Art von Ausnahmezustand gesammelt. Es werden mehrere Blocks rein polizeilichen Anordnungen unterstellt, Anwohner*innen müssen sich Durchsuchungen und Kontrollen unterziehen, Versammlungen sind grundsätzlich verboten. Es wird damit unverholen das Ziel verfolgt, Protest und Widerstand von den Orten zu verbannen, wo sie die herrschenden wirklich treffen könnten. Bei den letzten Räumungen und auch am 1. Mai hat der Innensenat so immer wieder ganze Straßenzüge unterworfen. Als Versammlung in Solidarität mit der Rigaer94 haben wir daher beschlossen, nicht darauf zu warten, bis Nägel mit Köpfen gemacht sind, sondern uns das Gebiet zu nehmen, um am Ende nicht vor den Absperrgittern mehrere Straßenzüge weiter zusehen zu müssen, wie die Polizei ungehindert agieren kann.
Hier in Friedrichshain lebt trotz staatlicher Allmachtsfantasien die Geschichte organisierten Widerstands und der Rebellion weiter. Mit unserer heutigen Aktion tragen wir das Bewusstsein auf die Straße, dass die Stadt eigentlich den Menschen gehören sollte, dass die Häuser keine Eigentümer*innen haben, dass der Staat hier nicht gebraucht wird und als Garant für Immobilienspekulation im speziellen und Kapitalismus im ganz allgemeinen abgeschafft gehört. Wer sollte das tun, wenn nicht wir.
In unseren begrenzten Möglichkeiten haben wir uns entschieden, den heutigen Tag zu nutzen, um wenigstens in diesem Straßenzug unsere Ideen von Solidarität und Freiheit zu verwirklichen. Die Rigaer Straße liegt uns besonders am Herzen, da wir hier seit mehr als 30 Jahren versuchen, selbstorganisiert und rebellisch zu leben. Für den morgigen Donnerstag ist ein frontaler Angriff auf unsere hiesigen Strukturen vorgesehen. Nur etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Räumung des Anarcha-Queer-Feministischen Hausprojektes Liebig34 ein paar Meter weiter soll die Rigaer94 in die Mangel genommen werden. Es ist kein Geheimnis, dass die angebliche Brandschutzprüfung schon im März als Räumung des Hauses geplant war. Auch dieses Mal zielt dieser staatliche Angriff auf die Unterdrückung der hier kämpfenden Individuen und Kollektive ab sowie auf die Zerstörung eines Hauses, dass eine wichtige Infrastruktur darstellt. Wir als Versammlung rufen alle auf, sich dem Widerstand gegen die Räumung anzuschließen. Ab sofort müssen wir die Dinge in die eigene Hand nehmen.
Kurzes Update zu uns: Uns gehts gut, der Heli kreist, die Straße riecht nach rauch und wir haben Feuer im Herzen ! Lasst es uns weiter so krachen lassen und das verteidigen was unser ist ! Autonome Räume verteidigen ! Rigaer bleibt !!!
Versammlung in Solidarität mit der Rigaer Straße, 16. Juni 2021