[Belarus] Update zur Situation bezüglich der Repressionen, Juni 2021

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Seit dem Beginn der Proteste in Belarus, die durch gefälschte Wahlen ausgelöst wurden, sind fast 11 Monate vergangen. Viele unserer Gefährt*innen wurden inhaftiert, viele mussten aus dem Land fliehen, öffentliche Aktivitäten sind nicht nur für Anarchist*innen, sondern für alle regimekritischen Vereinigungen und Gruppen eingeschränkt. Im Folgenden findet ihr ein kurzes Update zur Situation bezüglich der Repressionen in Belarus mit dem Fokus auf Anarchist*innen und Antifaschist*innen. Wir werden versuchen, diese Updates am Ende eines jeden Monats zu veröffentlichen.

Repression gegen Anarchist*innen und Antifaschist*innen

Aliaksandr Frantskevich wurde eines weiteren Verbrechens angeklagt – Anstiftung zu Hass oder Feindseligkeit. Dies ist der fünfte Artikel des Strafgesetzbuches, der ihm zur Last gelegt wird. Frühere Anklagen umfassen die Organisation, Teilnahme und Ausbildung anderer für Massenausschreitungen und die Teilnahme an einer internationalen kriminellen Organisation.

*ABC-Belarus unterstützt Frantskevich kritisch in begrenztem Umfang. Siehe mehr hier

Die Antifaschisten Vladislav Zenevich und Igor Bancer wurden zur Verbüßung ihrer Strafe in eine offene Strafvollzugsanstalt verlegt. Ihre neuen Adressen findet ihr auf ihren persönlichen Seiten.

Der Antifaschist Andrei Kasimirow, der in einer Haftanstalt in Moskau auf seine Auslieferung wartet, wurde in Russland als politischer Gefangener anerkannt. Gegen seinen Auslieferungsentscheid wurde Berufung eingelegt.

Der Telegram-Kanal und die Gruppe oder das Medienkollektiv Pramen gelten nun offiziell als extremistisch. Vor ein paar Jahren wurden ihre Website www.pramen.io und andere soziale Medien in Belarus blockiert, aber Menschen können über VPN oder Tor darauf zugreifen. Sie haben kürzlich eine Broschüre mit einer Analyse der Proteste im Jahr 2020 übersetzt.

Vier Personen wurden 10 Tage lang in Grodno festgehalten und nach Minsk gebracht, weil sie verdächtigt wurden, an einer internationalen anarchistischen kriminellen Organisation beteiligt zu sein. Sie wurden später mit Reisebeschränkungen freigelassen.

Am 2. Juli wurden vier Minsker Antifaschist*innen verurteilt, denen die Teilnahme an Massenausschreitungen und der Angriff auf Polizisten in Zivil vorgeworfen wurde.

Drei von ihnen berichteten, dass Gewalt und Folter gegen sie angewandt wurden, um Geständnisse zu erpressen. Vitaly Shishlov und Denis Boltut bekamen 6 Jahre Haft, Timur Pipiya – 6 Jahre und 3 Monate, Tamaz Pipiya – 5 Jahre Gefängnis.

Am 29. Juni begann der Prozess gegen den anarchistischen Blogger Mikola Dziadok. Ihm wird grober Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, Aufruf zum Regimewechsel via Internet und Besitz von Molotowcocktails (er sagt, sie seien bei der Durchsuchung platziert worden) vorgeworfen. In einer Anhörung gab Mikola einen detaillierten Bericht über die Folter und Gewalt, die während der Haft gegen ihn angewandt wurden, um Passwörter für verschlüsselte Geräte zu erpressen.

Aktivist*innen, die aus Angst vor Repressionen nach Polen ausgewandert sind, berichteten, dass sie von der örtlichen politischen Polizei besucht wurden und gewarnt wurden, dass der weißrussische KGB ihre persönlichen Informationen mit polnischen Rechten teilt. Die Besucher boten „Schutz“ an und baten darum, über jegliche Aktivitäten von Anarchist*innen und Antifaschist*innen in Polen zu berichten. Die Aktivist*innen lehnten ab und machten die Informationen öffentlich.

Repression im Allgemeinen

Unsere Liste der inhaftierten und verfolgten Demonstranten beläuft sich auf 900 Personen. Die internationale Reaktion auf die Entführung eines Ryanair-Flugzeugs durch Lukaschenko, um einen gesuchten Journalisten und seine Partnerin zu verhaften, folgte in Form von Sanktionen und Flugverbot nach und aus Belarus. Im Moment ist es fast unmöglich, aus dem Land zu fliegen. Aufgrund der Coronavirus-Beschränkungen dürfen Einwohner*innen das Land nicht auf dem Landweg verlassen (mit Ausnahme einer Reihe von Gründen wie Arbeit, Studium, Krankheit usw.). Gute Transportverbindungen gibt es nur noch mit Russland.

Es wird berichtet, dass in den provisorischen Haftanstalten, in denen die Verhafteten festgehalten werden, gefoltert wird – die Menschen erhalten keine Laken oder Matratzen, werden des Schlafes beraubt und mit Chlor vergiftet, das auf den Boden geschüttet wird. Sie können keine Lebensmittelpakete von draußen erhalten.

Menschen, die zur Verbüßung ihrer Strafe dorthin geschickt werden, berichten von schlechter Behandlung und Bestrafung. Anwält*innen können ihre Mandant*innen wochenlang nicht sehen, Angehörige sind besorgt. Wenn Verurteilte versuchen, in Berufung zu gehen, werden ihre Urteile manchmal härter.

Zur gleichen Zeit, nachdem die Sanktionen verhängt wurden, begann Lukaschenko das gleiche Spiel wie immer zu spielen und bot einigen politischen Gefangenen an, ein Gnadengesuch zu schreiben. Raman Pratasevish und Sofia Sapega, deren Verhaftung für Aufregung sorgte, wurden in Hausarrest versetzt, aber die KGB-Agenten bleiben mit ihnen in einer Mietwohnung.

Es wurden neue Änderungen des Strafgesetzbuches verabschiedet, die die Regeln für die Anrechnung von Tagen in der Untersuchungshaft auf die Haftzeit änderten. Jetzt zählt ein Tag in Untersuchungshaft als 1,5 Tage Haft in einem Gefängnis und 2 Tage in einer Justizvollzugsanstalt des offenen Typs.

Allein im Juni wurden 125 Personen wegen politischer Anschuldigungen verurteilt.

 

Was passiert mit dem Protest?

Im Allgemeinen haben die meisten Menschen jetzt Angst, auf die Straße zu gehen, daher beschränken sich die Aktivitäten meist auf kleinere symbolische Aktionen in den Stadtvierteln. Gleichzeitig wird viel daran gearbeitet, internationalen Druck auf das Regime auszuüben, z.B. Sportveranstaltungen abzusagen, Belarus von der Eurovision auszuschließen, Druck auf Unternehmen auszuüben, nicht mit dem Regime zu kooperieren. Spezielle Teams arbeiten an der Zusammenarbeit mit Staatsangestellten aus verschiedenen Institutionen, die eine Veränderung wünschen, oder versuchen, alle Arbeiter*innen zu vereinen und sie auf einen landesweiten Streik vorzubereiten.

Die Opposition hat einen „Plan des Sieges“ verkündet, der vorsieht, dass sich Menschen, die das Regime nicht unterstützen, als handlungsbereite Demonstrant*innen registrieren lassen und Angaben über ihren Beruf etc. machen. Die Initiator*innen hoffen, einen Pool von Menschen aus allen Lebensbereichen zu bekommen, um später daraus Affinitätsgruppen zu bilden, die auf gemeinsamen Arbeitsplätzen oder Fähigkeiten basieren.

 

ABC-Belarus unterstützt Anarchist*innen und Antifaschist*innen, die von der Verfolgung betroffen sind. Auf https://abc-belarus.org/?page_id=8661&lang=en findet ihr die Kontodaten um zu spenden.

 

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