[Belarus] Nachrichten aus dem Gefängnis

Quelle: abc belarus, übersetzt von abc wien

Am 2. Dezember wurde Gayane Akhtiyan, die Mutter des Anarchisten Roman Khalilov, zur Verdächtigen in einem Strafverfahren. Das Verfahren wurde auf der Grundlage von Art. 342 (Teil 1) des Strafgesetzbuches (Organisation und Vorbereitung von Aktivitäten, die die öffentliche Ordnung grob verletzen, oder aktive Teilnahme daran) eingeleitet. Zuvor, am 26. November, wurde die Wohnung von Gayane Akhtiyan in Polack durchsucht, sie wurde festgenommen und zunächst für 10 Tage wegen “ Ungehorsams gegenüber der Polizei“ inhaftiert. Am 2. Dezember wurde sie von Polack nach Minsk verlegt, und am 12. Dezember änderte sich ihr Status von einer Verdächtigen zu einer Beschuldigten, und die vorläufige Festnahme wurde in eine Verhaftung umgewandelt. Dieser Fall ist ein Präzedenzfall, ein Beispiel wie Druck auf im Ausland lebende Aktivist*innen über ihre in Belarus lebenden Verwandten ausgeübt wird. Khalilov lebt in Polen, in Weißrussland ist seit 2020 ein Strafverfahren gegen ihn anhängig.

Am 3. Dezember wurde eine deutsche Übersetzung des Buches Farben der Parallelwelt von Mikola Dziadok veröffentlicht. In dem Buch schildert Mikola, wie das belarussische Gefängnissystem versucht, die Persönlichkeit der Häftlinge zu zerstören. Die Beispiele für den Druck, der auf die Gefangenen ausgeübt wird, stammen aus Mikolas Erfahrungen als politischer Gefangener in den Jahren 2010-2015. Das Buch wurde teilweise im Gefängnis geschrieben, aber erst nach Mikolas Entlassung fertiggestellt.

Die deutsche Übersetzung kann man hier kaufen: www.edition-fototapeta.eu

Auf Englisch steht das Buch zum Download bereit: https://radicalbook.tilda.ws/colours

[A.d.Ü.: Mikola wurde 2020 erneut festgenommen.] Nach Mikolas Treffen mit seinem Vater Mitte Dezember wurde bekannt, dass die Verwaltung des Gefängnisses in Mahiliou Druck auf den politischen Gefangenen ausübt, indem sie angebliche Verstöße gegen die Gefängnisordnung erfindet und Mikola keinen Zugang zu medizinischer Hilfe gewährt.

Am 11. Dezember berichtete der Anarchist Jauhien Zhurauski, dass die Steuerinspektion bei seiner Mutter anruft und die Vorlage der vollständigen Steuererklärungen für die letzten 10 Jahre verlangt und droht, das Eigentum seiner Mutter zu beschlagnahmen. Zhurauski lebt im Ausland und ist politisch aktiv.

Am 12. Dezember wurde bekannt, dass Mikita Jemeljanau Ende November erneut in einer Strafisolationszelle untergebracht wurde, dieses Mal für insgesamt 38 Tage. Er wurde erst am 25. Dezember aus der Isolationszelle entlassen.

Später wurde berichtet, dass Ende November ein neues Strafverfahren gegen ihn wegen „böswilligen Ungehorsams gegenüber den Forderungen der Strafvollzugsverwaltung“ (Artikel 411 des Strafgesetzbuchs) eingeleitet wurde. Dieses Verfahren kann zu einer zusätzlichen Strafe von zwei Jahren führen. Mikita sagt in diesem Fall nicht aus. Während seiner Zeit im Gefängnis wurden mehr als 60 Berichte über seine „Verstöße gegen das Regime“ erstellt. Mikita besteht darauf, dass er gezwungen wurde, „gegen das Regime zu verstoßen“, um gegen die ständige Verletzung seiner Grundrechte zu protestieren.

Am 24. Dezember wurde die endgültige Anklageschrift gegen Mikita erhoben. Sein Fall wurde an die Staatsanwaltschaft übergeben und wird voraussichtlich bald vor Gericht verhandelt werden.

Am 17. Dezember wurde Igor Bancer aus dem Gefängnis entlassen, da er seine gesamte Strafe verbüßt hatte (anderthalb Jahre offener Strafvollzug oder so genannte „Chemistry“). Igor wurde vom 25. November bis zu seiner Entlassung ohne Unterbrechung in der Isolierzelle festgehalten worden. Ab August verbrachte er während seiner Zeit in der offenen Strafvollzugsanstalt in Viciebsk mehr als 80 Tage in Strafisolation.

Am 18. Dezember kam die Nachricht, dass Tamaz Pipiya unter Druck steht. Die Gefängnisverwaltung blockiert den Besuch seiner*s Anwalt*in, alle seine Appelle werden ignoriert. Tamaz werden auch Anrufe bei Verwandten verweigert und er erhält keine Briefe. Es wurde berichtet, dass er von Wärtern geschlagen worden sei.

Am 22. Dezember wurde das Urteil gegen eine Gruppe von Anarchopartisanen verkündet, die im Herbst 2020 eine Reihe von direkten Aktionen gegen die Diktatur durchgeführt hatten. Um die Aktivisten zu isolieren, fand der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur die Urteilsverkündung wurde veröffentlicht.

Urteile: Siarhei Ramanau – 20 Jahre, Ihar Alinevich – 20 Jahre, Dzmitry Rezanovich – 19 Jahre, Dzmitry Dubousky – 18 Jahre.

Die enormen Strafen für symbolische Aktionen sind ein Beispiel für die Angst der Diktatur vor Anarchist*innen. Diese Urteile sind die bisher längsten in der Geschichte der politischen Repression im Lande.

Nach der Urteilsverkündung wurden die Verurteilten kurzfristig zu Gesprächen mit ihren Angehörigen zusammengeführt. Dzmitry Dubousky erzählte bei einem Treffen mit seiner Schwester, dass er und andere Anarchopartisanen nach ihrer Verhaftung gefoltert wurden. So sei er beispielsweise gewürgt worden und habe wiederholt das Bewusstsein verloren, und er habe unter anderen Folterungen gelitten. Dubousky begann, gegen sich selbst und andere auszusagen, um die Folterungen zu beenden. Vor Gericht brachte Dubousky die Folterungen zur Sprache, jedoch ohne Erfolg. Da die Anhörungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und die Anwält*innen an schriftliche Geheimhaltungsverpflichtungen gebunden waren, gelangte seine Botschaft zu diesem Zeitpunkt nicht an die Öffentlichkeit.

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