Die Isolationshaft und die Geschichte der Repression in Spanien | Teil 12

Quelle: soligruppe für gefangene

In den späten 90ern veröffentlichte Constantino Cavalleri diesen Text, der als ein Beitrag zur Debatte rund um die Kämpfe gegen Knast und Isolationshaft (FIES im Falle des spanischen Staats) verstanden und eingeordnet werden sollte. Aus diesem Grund, und auch weil er in der Biographie von Claudio Lavazza die wir fertig übersetzt haben, erwähnt wird, haben wir diesen nun veröffentlicht.


BEITRAG ZUM KAMPF GEGEN DEN KNAST

Constantino Cavalleri

EINLEITUNG

Wir haben uns entschlossen, eine Reihe von Veröffentlichungen herauszugeben, die darauf abzielen, eine ernsthafte Debatte zu führen, fernab von Polemik, Gerüchten, „cooler Aura/falschen Konflikten“1 usw., rund um den antirepressiven Kämpfen.

Wir glauben, dass der Text des Gefährten Constantino, wenn er mit der nötigen Sorgfalt gelesen wird, Klarheit in das „schwarze Loch“ bringt, in das die Strategie des Kampfes gegen die Knäste gefallen ist, seit sie im Oktober 1999 ins Leben gerufen wurde.

Ein „schwarzes Loch“, das gleichbedeutend ist mit Faulheit, wenn es darum geht, bestimmte Aspekte der Kämpfe zu beeinflussen, jenseits der ebenfalls notwendigen destruktiven Aktion: SOLIDARITÄT, verstanden als eine gegenseitige Verpflichtung von Ernsthaftigkeit und Beständigkeit gegenüber den Gefährt*innen, die bedroht sind oder sich im Griff der Repression befinden; oder zum Beispiel die Ergreifung der Mittel, durch die die destruktive Aktion wirksam, kraftvoll wird, so dass der Druck, die gesetzten Ziele zu erreichen, um viele Punkte an Intensität zunimmt.

Wenn wir heute zurückblicken, haben wir viel über unsere eigenen Fehler, Grenzen und Erfolge nachgedacht, die auch eine Realität waren.

Wir haben die Nutzlosigkeit bestimmter auf „Spontaneität“ beruhender Ansätze und den scheinbar schizophrenen Wettlauf um die Legitimität des wirklich subversiven Diskurses festgestellt; wir haben, und das ist keine Übertreibung, unter dem Fehlen eines mittelfristigen Projekts gelitten, eines Projekts, das uns dazu gebracht hätte, die Grenzen des Überlebens angesichts des repressiven „Mahlstroms“ zu überschreiten, d.h. des täglichen Kampfes, um nicht wie Ungeziefer von den „Ordnungskräften“ gejagt zu werden. Und natürlich, und unter den Erfolgen, die Tatsache, dass wir uns als eine feste Realität in tiefer Subversion mit dieser existierenden Scheiße gefunden haben, und die „Freude“, das „Leben“ so zu „leben“, wie es unser Herz diktiert und nicht wie es die Imperative des europäischen und multinationalen Staats-Kapitals diktieren.

Dies war der Beginn einer Periode des Nachdenkens und der Aktion, die unter anderem darauf abzielt, nicht in die kindische Dummheit der Vergangenheit zurückzufallen, was die Beziehungen zwischen den Gefährt*innen betrifft, und in diesem Sinne fordern wir bestimmte „Gefährt*innen“ (um es milde auszudrücken) auf, die Strategie der „Schikane und Zerstörung“ gegen andere Gefährt*innen aufzugeben, die darüber hinaus in erster Person unter den härtesten Realitäten der staatlichen Repression leiden.

Auch Cipriano Mera2 wurde seinerzeit, wie so viele andere, nur deshalb exkommuniziert und in die Gefangenschaft3 geschickt, weil er mit der Heiligen Kirche der Akratie4 nicht einverstanden war… heute wiederholt sich die Geschichte, ob im radikalen oder im gemäßigten Teil der Heiligen Inquisition: die stalinistischen Praktiken der Gerüchte, Verleumdungen und falschen Anschuldigungen überleben… möge sich die Geschichte nicht immer wiederholen.

In den nächsten Veröffentlichungen, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Vorbereitung befinden, werden wir die Kritik und die Aktionen, die wir gegen Macht und Autorität in all ihren Formen entwickeln, durch unsere eigenen Schriften und verschiedene Übersetzungen vertiefen.

Bis die Repression uns einholt.

AUGUST 2001

GRUPPE „GRANADOS Y DELGADO“5

BEITRAG ZUM KAMPF GEGEN DEN KNAST

Dieses Dokument wurde verfasst, nachdem in der Bewegung das Dokument „Beitrag zur IAI-Debatte und einige Klarstellungen für die Gefährten“6 in Umlauf gebracht wurde, mit der Absicht, die durch dieses Dokument eröffnete Debatte fortzusetzen und den geführten Kampf neu zu beleben und konkrete Möglichkeiten für seine Ausweitung zu eröffnen, um ihn zu verstärken.

Ich schlage außerdem vor, dass unser Beitrag auf dem ersten Treffen der Insurrektionalistische Antiautoritäre Internationale (I.A.I.) sozialisiert wird, um die konkrete Möglichkeit eines gemeinsamen Interesses der teilnehmenden Realitäten im Hinblick auf eine zwischen Gruppen und Einzelpersonen abgestimmte Intervention zur Ausweitung und Radikalisierung des Kampfes zu bewerten.

Es ist besser für die Gefährt*innen zu wissen, dass die vorgebrachten Überlegungen und Vorschläge nicht das Ergebnis abstrakter Ausarbeitungen oder logischer Beschreibungen von Wegen sind, die sich jemand in seinem Kopf ausmalt; in Wirklichkeit steckt dahinter die Erfahrung langjähriger aktiver Mitarbeit im „Komitee der Solidarität mit den deportierten proletarischen Gefangenen Sardiniens“, einer Organisation, die als eine der ersten systematisch die politisch-juristischen Machenschaften aufdeckte, die später zu Verhaftungen und aufeinanderfolgenden Prozessen führten, die von den Staatsanwälten Marini und Ionta beantragt wurden.

DER KAMPF GEGEN DIE F.I.E.S.

Aus der Perspektive der vergangenen Kämpfe der FIES und im Interesse einer größeren Prägnanz sind einige Überlegungen notwendig, um den Kampf auf der gegenwärtigen Ebene, auf der sich die Bewegung in ihrer Komplexität befindet, zu veranschaulichen und zu begründen (es ist notwendig, für ihre Klarheit die Kritiken und Bewertungen zu berücksichtigen, die von zwei inhaftierten Gefährten in Briefen geäußert wurden, die in der Bewegung zirkulierten und die ich die Gelegenheit hatte zu lesen).

Ich gehe davon aus, dass die Gefährten die Entwicklung des Kampfes kennen, der im letzten Jahr in den Gefängnissen des spanischen Staates entstanden ist, der innerhalb und außerhalb der Gefängnisse geführt wurde, und der auf internationaler Ebene seine Erwiderung gefunden hat und es zumindest geschafft hat, die Öffentlichkeit auf das Sondergefängnis/Spezialknast und die unmenschlichen und quälerischen Momente, die es kennzeichnen, aufmerksam zu machen.

Trotzdem haben wir erkannt, warum sollen wir es verschweigen, dass der Kampf seine eigenen Grenzen hat und dass es auch einige Unstimmigkeiten zwischen dem Willen der Gefangenen, die entschlossen sind, bis zum unbefristeten Hungerstreik weiterzumachen, und der Bewegung außerhalb der Gefängnisse gibt, was die schöpferische Kraft und die Energie beeinträchtigt zu haben scheint, die notwendig sind, um dieses Kräfteverhältnis zu vereinen, das den Staat in seinen Zielen zwingen würde. Wenn meine gegenwärtigen Kenntnisse und Überlegungen zumindest einige der Elemente widerspiegeln, die den Kampf und den Zustand der Bewegung in diesem Moment charakterisieren, dann glaube ich, dass es fernab von jeder Art von Wankelmut genügend Gründe und konkrete Perspektiven gibt, um gestärkt und besser vorbereitet voranzugehen als zuvor. Natürlich unter der Bedingung, dass alle wirklich am Kampf interessierten Gefährten ihren Willen und ihre Ernsthaftigkeit in die Praxis umsetzen, was meiner Meinung nach absolut unerlässlich ist.

Im Zusammenhang mit diesem Beitrag müssen noch weitere Aspekte hinzugefügt werden. Sie werden oft als selbstverständlich angesehen, sind es aber nicht, denn sie geben Anlass zu Missverständnissen, Fehldeutungen, Fehlinterpretationen und wer weiß was noch alles. Deshalb ist es wichtig, zumindest in diesem Zusammenhang präzise zu sein, um das Gesagte und die daraus resultierenden Vorschläge zu verdeutlichen. Ich bitte daher meine Gefährten um ein wenig Geduld und Aufmerksamkeit und entschuldige mich für Wiederholungen, Klarstellungen, lange Erklärungen und Dinge, die überflüssig erscheinen mögen. Die Absicht ist nicht, zu langweilen, sondern Missverständnisse und Frivolitäten zu vermeiden sowie zu weiteren Analysen anzuregen.

DIE SOLIDARITÄT

Die Solidarität im revolutionären Milieu ist der Moment, in dem sich revolutionäre Entitäten – individuelle und kollektive – über die bestehenden Unterschiede hinaus gegenseitig manifestieren und verstärken, indem sie sich gegenseitig in ihrer Gültigkeit anerkennen.

Eine solche Solidaritätsbekundung kann auf tausend Arten zum Ausdruck kommen: von finanziellen Beiträgen zur Finanzierung der durchgeführten Aktivitäten über Korrespondenz mit den von der Repression Getroffenen, von sporadischen Sabotageakten bis hin zu Interventionen auf öffentlichen Plätzen. Und die tausend Formen der Solidarität mit dem Kampf der Gefangenen, die trotz der aufgetretenen Defizite und Grenzen zum Teil erfolgreich durchgeführt wurden. Die wirksamste Form der Solidarität besteht jedoch darin, sich den Kampf in seiner Komplexität zu eigen zu machen, ihn sozial und territorial auszuweiten, um die Fronten des Kampfes selbst innerhalb und außerhalb der Gefängnisse zu erweitern, ohne jedoch diejenigen zu behindern oder zu zwingen, die glauben, dass sie nach ihren Methoden und Empfindungen handeln sollten.

DER KAMPF ALS ANGRIFF

Was mich betrifft, so verstehe ich den Kampf in all seinen Aspekten als einen Angriff auf die Herrschaft.

Im Falle des Kampfes gegen die Gefängnisse verstehe ich ihn als einen Angriff auf die Macht des Staates-Kapitals, um die Abschaffung der Haftbedingund der Sonderhaft (Einzelhaft)Isolationshaft), die Beendigung der Zerstreuung der Gefangenen, die Freilassung von Gefangenen mit unheilbaren Krankheiten zu erzwingen.

Der Inhalt des spezifischen Kampfes gegen das Gefängnis verhindert natürlich nicht das Ziel, das uns zum Kampf antreibt: die Zerstörung der Gefängnisse. Aber diese Perspektive, die alle Anarchistinnen und Anarchisten und Antiautoritären antreibt, ist nicht die Perspektive, an die alle Gefangenen glauben, noch alle ihre Angehörigen, noch alle, die aus welchen Gründen auch immer mit diesem Kampf sympathisieren und sich daran beteiligen können.

Daher ist es möglich, mit all dem zusammen zu reisen, wenn es zumindest einige Elemente des Kampfes selbst gibt, die ihn methodologisch als einen Raum unseres Interesses charakterisieren, und auf den wir bereit sind, unsere Energien zu geben. Eines dieser Elemente ist das Verständnis von Kampf als Angriff. Der Begriff des Angriffs umfasst, wie wohl jedem klar sein dürfte, nicht ausschließlich jene Praktiken, die unmittelbar zu Zerstörungen oder sichtbaren materiellen Schäden führen, also „spektakuläre“ Aktionen, auch wenn diese nur sporadisch auftreten.

Unter Angriff verstehe ich jede konkrete Äußerung der Ablehnung von Kompromissen und Vermittlungen mit der Macht, die bekämpft wird.

Dies ist aus der Sicht eines Kampfes sehr wichtig, weil es zeigt, dass eine Aktion in der Perspektive eine ganze Reihe von Praktiken, Aktionen, Manifestationen verbindet, in denen die Logik des Angriffs in der Gesamtheit der Intervention offensichtlich ist; auch wenn ihre einzelnen Aspekte oft nicht unmittelbar zu einem Angriff führen mögen.

EIN SPEZIFISCHER KAMPF

Der Kampf gegen die FIES ist ein Kampf, der auf die Erreichung spezifischer, partieller Ziele abzielt. Unsere Perspektive ist und bleibt jedoch die Zerstörung von Gefängnissen und der Gesellschaft, die sie erzeugt. Auf diese Weise gelingt es, das Interesse und die Beteiligung mehr oder weniger breiter Gruppen von Gefangenen und der Bevölkerung zu wecken, weil sie mit den vorgeschlagenen Zielen einverstanden sind.

Dieses Element ist ebenfalls sehr wichtig und muss immer berücksichtigt werden, um – soweit möglich – weitere Brüche derjenigen von uns zu vermeiden, die sich aus ideologischen Gründen im Kampf befinden.

BRÜCHE, DIFFERENZEN, ZERSPLITTERUNG

Einer der offensichtlichen Schwachpunkte der anarchistischen und antiautoritären Bewegung im Allgemeinen, der sich auch im spezifischen Kampf gegen die FIES manifestiert, ist auf die bestehende Spaltung zwischen verschiedenen Realitäten – ob individuell oder kollektiv – zurückzuführen, von den Brüchen auf der Ebene der persönlichen Beziehungen bis hin zu den Unterschieden in der Sensibilität und den verschiedenen Arten des Kampfes.

Ich glaube, dass diese Differenzen, wenn sie nicht ein Wettbewerb sind, um in einer schädlichen und nutzlosen Graduierung festzustellen, wer anarchistischer ist, nicht nur überwindbar, sondern äußerst positiv sind.

Um nicht in eine einfache Forderung des Prinzips zu verfallen, muss sich die Positivität der Differenz als ein wirklicher Reichtum der Bewegung manifestieren: und der einzige Weg, den ich mir vorstellen kann, ist die Schaffung einer Methodologie der Beziehung, die im Kampf und für den Kampf einen konzentrierten und abgestimmten Angriff aller im Spiel befindlichen Kräfte erzeugt. Ich bejahe weder die Notwendigkeit, vergangene Brüche „wieder zusammenzusetzen“, noch die Notwendigkeit, Seite an Seite mit denen zusammenzuarbeiten, unter denen keine Affinität besteht. Diese beschwichtigende Logik des „Lasst uns einander umarmen“ interessiert mich überhaupt nicht. Ich behaupte, dass es möglich ist, inmitten von Brüchen, Spaltungen und Differenzen – natürlich im Rahmen der Praxis des Angriffs, wie ich sie oben erklärt habe, d.h. in der Unordnung des Kampfes – einem gemeinsamen Angriff Gestalt zu geben, der eine einheitliche Front darstellt, die den Kapital-Staat von allen Seiten umgibt und die Energie und Macht hervorruft, die zumindest notwendig ist, um die vorher festgelegten Ziele der Kämpfe, die geführt werden, durchzusetzen.

All dies hängt natürlich in hohem Maße von der Ernsthaftigkeit jedes Einzelnen von uns ab, abgesehen natürlich von der Methode.

DIE AUSWEITUNG DES KAMPFES

Wenn der Ausgangspunkt des Kampfes konkrete Ziele sind (das Ende von FIES, Beendigung der Verstreuung von Gefangenen, Freilassung von Gefangenen mit unheilbaren Krankheiten), dann stimmt es nicht, dass der anzugreifende Feind in den spezifischen Strukturen/Institutionen der Gefängnisse verkörpert ist. Die Gefängnisinstitutionen sind nur ein Teil, ein Aspekt der realen Manifestation des Staates-Kapitals, dessen Konstitution von der Wechselbeziehung zwischen jedem seiner Teile abhängt: von den politisch-militärischen und richterlichen Institutionen bis hin zu denen der Kontrolle und Manipulation von Informationen; den Produktions- und Vertriebszentren von Waren sowie den Zentralen des Finanzkapitals.

Diese Komplexität der Zusammenhänge und Strukturen ist der eigentliche Feind, deshalb kann sich unser Kampf nicht darauf beschränken, einen Sektor, einen Aspekt, einen bestimmten Moment zu treffen.

Genauso sind die drei Ziele, die wir uns im Kampf gegen FIES gesetzt haben, auch in anderen Situationen außerhalb der Grenzen des spanischen Staates gültig. In Frankreich zum Beispiel, in Sardinien, in Deutschland, in Italien usw. könnten dieselben Ziele nicht nur die Gefangenen, sondern auch Teile der für das Problem sensiblen Bevölkerung anregen und interessieren. Der Kampf kann also nicht nur die Gefangenen und die bestehende Bewegung auf spanischem Gebiet betreffen; außerdem ist der spanische Staat nicht mehr verantwortlich als andere Staaten und das Kapital, mit dem er in Beziehung steht und von dem er nur bestimmte Aspekte repräsentiert, deren Aufgabe es ist, ein bestimmtes Gebiet zu kontrollieren, damit Ausbeutung und Profit mit der notwendigen Garantie für soziale Stabilität wirken können.

Wenn wir dazu noch die – hoffentlich von allen akzeptierte – Tatsache hinzufügen, dass die produktivste Solidarität mit den Gefangenen und dem geführten Kampf darin besteht, sich den Kampf zu eigen zu machen und ihn dort auszuweiten, wo wir leben, können wir zu dem Schluss kommen, dass die Ausweitung des Kampfes, sei es auf territorialer Ebene oder bei der Individualisierung des Feindes, ein unverzichtbares Moment ist, das uns alle direkt betrifft.

Es geht nur darum, dem Kampf Kontinuität zu verleihen (oder es zumindest zu versuchen) und ihn zu optimieren, um ihn schärfer zu machen.

KAMPF UND REPRESSION

Die Repression ist kein konkretes Moment, sondern teilt die Existenz der Macht in jedem ihrer Momente. Repression, die sich auf tausend Arten und mit tausend Gesichtern manifestiert und die in unserem gegenwärtigen Moment keinen Aspekt der Existenz ausschließt. Repression, die fast ungestört wirken kann, weil sich der Staat-Kapital in einer gesellschaftlichen Situation der allgemeinen Zustimmung verewigt. Das gegenwärtige demokratische Regime, das im Wesentlichen direkt oder indirekt durch allgemeine Zustimmung oder durch die Abwesenheit eindeutig dissidenter und radikaler Massenbewegungen geschaffen und aufrechterhalten wird, lässt keine Situationen allgemeiner Erschütterung zu, weil dies bedeuten würde, die tatsächliche Nichtexistenz der Grundlagen anzuerkennen, auf denen es aufrechterhalten und reproduziert wird.

Von hier aus ist die besondere Aufmerksamkeit für jene Bewegungen reserviert, die, indem sie ihre eigene Kontrolle und die sterilisierenden Wege des geordneten und manipulierten Protests der „korrekten“ Instanzen verlassen, riskieren, im sozialen Kontext die Bezugspunkte darzustellen, auf denen eine mehr oder weniger breite Aufmerksamkeit und Bewegungen eines Teils der Bevölkerung, der von den aktuellen Existenzmodellen ausgeschlossen ist, katalysiert werden könnten. Daher der Versuch, die Gefährten, die revolutionären Gruppen und die sozialen Rebellen zu kriminalisieren, um sie zu virtuellen Blitzableitern zu machen und die Existenz von abweichenden Äußerungen in den sozialen Schichten zu negieren.

Wenn die Kriminalisierung von Gefährten und Rebellen diese Funktion hat und auf diese Weise geschieht, ist es offensichtlich, dass der Kampf, den wir führen, nicht vom sozialen Kontext getrennt werden kann, von jenen Bevölkerungsschichten, ob inhaftiert oder nicht, die durch ihre Teilnahme an diesem Kampf die Macht beunruhigen, da sie echte insurrektionalistische Perspektiven eröffnen, die in den Bedürfnissen der ausgeschlossenen Klassen wurzeln. Das bedeutet, dass der Kampf nicht nur UNSER Kampf ist, sondern der Kampf all derer, die sich daran beteiligen, die ihn sich zu eigen machen.

Je mehr der Kampf dazu neigt, sich gesellschaftlich auszubreiten, desto härter werden die Repression und die Repressionsversuche sowie die direkten Manipulationen sein, um den Beitrag der radikalen Teile der Bevölkerungsschichten, die ihn vorantreiben, zu zerschlagen und zu trennen. Es wäre ein schwerer Fehler, den Staat-Kapital in seiner grundlegenden Verteidigungsaktion zu helfen, indem man sich nicht darum kümmert, zu handeln und konkrete und methodische Anreize zu geben, damit der Kampf auch ohne unsere Anwesenheit und ungeachtet der Repressionsmaßnahmen, die uns von Zeit zu Zeit treffen, in den richtigen Angriffsbedingungen fortschreiten kann. Es ist unabdingbar, die Spiele und Ziele der Macht deutlich zu machen und zu zeigen, dass das Ziel des Staats-Kapitals nicht die Verhaftung der Revolutionäre und Sozialrebellen an sich ist, sondern die Beendigung oder Ausrottung des Kampfes selbst.

Die Verhaftung der Gefährtin und des Gefährtin aus Madrid sowie der Haftbefehl gegen den anderen Gefährten, die Freilassungen und die anschließende Verhaftung eines von ihnen, mit allem, was dies an Medienmanipulation mit sich gebracht hat, haben ihre Wurzeln genau in dieser Strategie der konstituierten Macht. Es ist kein Zufall, dass sich der Inhalt der Medienbotschaften ausschließlich auf die Übertragung des Kampfes von seinen realen Begriffen auf die kriminalisierenden Begriffe konzentriert und deshalb im Grunde darauf abzielt, die Handlungsweise der Gefährten und Sozialrebellen von jenen populären Schichten zu trennen, die sich solidarisch gezeigt und persönlich am Kampf beteiligt haben.

Zumindest ein Teil unserer zukünftigen Tätigkeit muss darin bestehen, im sozialen Bereich, auf der Straße, bei den Demonstrationen an allen Orten, bei den öffentlichen Vollversammlungen und in unseren redaktionellen Instrumenten jene Beiträge und Verbindungen mit den sozialen Schichten aufrechtzuerhalten und auszuweiten, die am Kampf interessiert und beteiligt sind und somit dazu beitragen, die Stabilität des Systems zu gefährden.

Die so verstandene Ausweitung des Kampfes eröffnet uns eine ganz andere Perspektive als die gegenwärtige. Um den Kampf anzuregen, sind nicht nur die Gefährten und Sozialrebellen auf der iberischen Halbinsel, sondern auch wir alle, jeder in seinem Land. Und um den relativen und aufkommenden Problemen des Kampfes zu begegnen – der Stagnation, die sich manifestiert, den Grenzen, die wir bereits kennen… -, geht es nicht mehr nur um die iberische Bewegung, darum, sich als einfache „Beobachter“ zu verhalten.

Aus dieser Perspektive, an der wir alle direkt beteiligt sind, ergibt sich ein weiteres wichtiges Element: nämlich dass die Ausweitung des Kampfes die spezifischen Situationen stärken wird, auch die organisatorisch schwächeren (weil sie zahlenmäßig unbeständig sind oder weil sie sich in einer besonderen organisatorischen Schwäche oder Müdigkeit befinden, usw…).

Durch die Ausdehnung auf verschiedene territoriale Gegebenheiten und verschiedene Bewegungen kann der Kampf im Laufe der Zeit Kontinuität erlangen und in der Praxis als unbestimmt dargestellt werden.

DIE ORGANISATORISCHE FRAGE

Wenn die Perspektive der Ausweitung des Kampfes einige Probleme löst und alle Situationen der Bewegung in der ersten Person verantwortlich macht, eröffnet sie andererseits die Organisationsfrage.

Es ist klar, dass sich die Frage nur für diejenigen stellt, die die Organisation als Instrument, als gültiges Mittel zur Stärkung des Kampfes betrachten. In diesem Sinne ist das Problem ausschließlich ein methodisches, insofern es die Art und Weise betrifft, wie man sich zueinander und zu den für den Kampf notwendigen Dingen verhält, die Autonomie aller wahrt und, wenn möglich, bereichert und ihnen die Mittel an die Hand gibt, ihre Aktionsmöglichkeiten zu erweitern.

Es geht also darum, organisatorische Möglichkeiten zu schaffen, bei denen alle am Kampf Beteiligten die Möglichkeit haben, Erfahrungen auszutauschen, Projekte und Perspektiven zu sozialisieren, Situationen kennen zu lernen und Beziehungen zu knüpfen, die dann jeder für sich weiterführt.

Die Informalität, die viele von uns bereits im „kleinen Rahmen“ praktizieren und zu der der IAI-Vorschlag ermutigt, um sie im großen Rahmen zu praktizieren, deren Möglichkeit in dem „Beitrag zur IAI-Debatte und einige Klarstellungen für die Gefährten“7 unterstrichen wird, wird global dargestellt, auch wenn er sich speziell auf den Kampf gegen die FIES bezieht. Die Kontinuität des Kampfes, sei es auf territorialer oder zeitlicher Ebene, führt zu einer Kontinuität der Beziehungen, der Information und des Erfahrungsaustauschs zwischen allen am Kampf beteiligten Teilnehmern. Diese Kontinuität wird zum Teil durch den direkten Kontakt zwischen den Situationen der Bewegungen erreicht: diejenigen, die bereits Beziehungen und Kenntnisse haben und die bereits einen gewissen Grad an Affinität oder Vertrauen entwickelt haben. Und die anderen Realitäten? diejenigen, die neu im Kampf sind, diejenigen, die ebenfalls, obwohl sie die Existenz der anderen kennen, aus tausend Gründen keine Beziehungen haben, diejenigen, die aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht in der Lage sind, die anderen in der Unmittelbarkeit der auferlegten Bedürfnisse des Kampfes zu kontaktieren?

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Briefe zweier FIES-Gefangener, die innerhalb der Bewegung kursieren, genau auf die Mängel hinweisen, die sich im Kampf manifestiert haben, vor allem aus organisatorischen und methodischen Gründen: wir dürfen nicht glauben, dass die Probleme, die mit dem „schlechten Gefühl“8 zwischen Individuen und Gruppen, mit Brüchen zwischen verschiedenen Realitäten zusammenhängen, von selbst und ohne schädliche Einflüsse für den Kampf gelöst werden. Deshalb müssen wir jetzt mögliche Lösungen finden.

Ich glaube, dass es positiv ist, zu versuchen, die organisatorische „Sackgasse“ in der Informalität der Beziehungen zu überwinden, und der einzige Weg, den ich mir vorstellen kann, ist, regelmäßige Treffen ins Leben zu rufen, die in ihrer Entwicklung völlig informell sind, in denen die Vollversammlung der Teilnehmer überhaupt nicht beratend ist, sondern ausschließlich ein Moment der Sozialisierung von Erfahrungen, Informationen, Projekten, Spannungen, des Meinungsaustauschs, der Debatte, des Wissens über den spezifischen Kampf.

Diese Anlässe für allgemeine Treffen können auch Orte für die Erweiterung von Wissen, Beziehungen, Affinitäten sowie für den möglichen Austausch von Mitteln, Werkzeugen, Methoden, Kapazitäten und auch von ökonomischen und finanziellen Aspekten sein.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass diese Momente allgemeiner Treffen die Vermittlungsfunktionen ausschließen, d.h. die Aufgaben, die häufig Gruppen und Gefährten zugewiesen werden, die direkte Kontakte mit denjenigen Realitäten haben, mit denen wir nicht in Beziehung treten wollen.

Die Sozialisierungen, die im Rahmen der Vollversammlung dieser Treffen entstehen, beziehen sich auf alle Anwesenden, und jeder wird am Ende die angemessensten Entscheidungen treffen.

Es geht nicht darum, die entstandenen Brüche zu lösen, sondern ihre negativen Folgen zu verringern.

DIE REPRESSIVE FRAGE

Von vielen Seiten wurde deutlich, dass diese allgemeinen Treffen, auch mit dem offensichtlichen Nutzen, den sie im Allgemeinen und für spezifische Kämpfe schaffen, als „Überwachung“ bei Anlässen dienen, bei denen die Kräfte und Strukturen der Macht systematisch alle Teilnehmer gleichzeitig in ihrer Aufgabe der Repression „einordnen“ können. Ich nehme diese Beobachtung ernst und gebe zu, dass ich sie nicht berücksichtigt hatte, vielleicht weil ich einige Dinge als selbstverständlich ansah.

Wir sind nicht die Avantgarde von irgendjemandem, sondern von uns selbst. Im Gegenteil, die Methodologie, die wir erläutern, regt uns in jeder Hinsicht dazu an, die Gültigkeit jeder Form von Avantgardismus, Delegation und Repräsentativität zu negieren. Unsere Beteiligung an den sozialen Kämpfen ist aus dieser Sicht ein direkter, konkreter Anreiz zur direkten Aktion, zur Selbstverwaltung der Kämpfe, zur totalen Autonomie all derer, die den Kampf zu ihrem eigenen machen. Die Tatsache, dass wir Insurrektionalisten sind, verdeutlicht auch unsere Handlungsweise, den Impuls, den wir von den spezifischen sozialen Kämpfen im Sinne einer verallgemeinerten Insurrektion geben.

Hätten wir die Kraft, eine Insurrektion zu realisieren, die nur potenziell die Möglichkeit gehabt hätte, den gegenwärtigen gesellschaftlichen Kontext zu zerstören, würden wir hier nicht darüber diskutieren, sondern wir wären mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Wenn wir diese Kraft hätten und sie nicht in der Insurrektion konkretisiert hätten, wären wir Schwachköpfe. Und da ich nicht glaube, dass wir schwachsinnig sind, und ich glaube nicht, dass wir uns in einem insurrektionalistischen Kontext befinden, ist es offensichtlich, dass wir diese Stärke nicht haben.

Das bedeutet, dass wir mit der Methodologie der Insurrektion handeln müssen, so wie wir täglich die sozialen Kämpfe, an denen wir teilnehmen, vorantreiben. Unsere Aktivität in Bezug auf die sozialen Kämpfe ist offensichtlich. Wir manifestieren ihn auf Plätzen, Straßen und bei all jenen Gelegenheiten, bei denen die Bevölkerung oder ein Teil von ihr ihn durch Dissidenz und Kampf zum Ausdruck bringt. Es stimmt, dass die von uns gesetzten Anreize nicht legal sind, aber es ist klar, dass ich, wenn ich ein Auto fahre und keinen Führerschein habe, versuchen werde, nicht von den Polizisten erwischt zu werden, die mich sofort anhalten werden.

In einem gesellschaftlichen Kontext, der auf einem allgemeinen Konsens beruht, ist es unwichtig, ob es sich um einen realen oder virtuellen Konsens handelt. Unsere Art und Weise, öffentlich zu handeln, um das Soziale zu beeinflussen (auf saubere Art und Weise, ohne Betrug), macht den Machthabern Angst, gerade weil unsere Impulse nicht avantgardistisch sind, nicht entfesselt oder weit entfernt vom gesunden Menschenverstand und seinen Verständnismöglichkeiten. Deshalb zielt die Repression des Staats-Kapitals darauf ab, uns von den Kontexten der sozialen Kämpfe zu trennen und zu entkoppeln, indem sie uns und unsere Aktionen kriminalisiert oder uns verstehen lässt, dass einige Aktionen gerecht sind (wenn sie im Rahmen von Mechanismen legaler aber legaler Forderungen sterilisiert werden) oder ungerecht (wenn wir die bürokratisch-legale Praxis der sozialen und institutionellen Anästhesisten ablehnen, die aber legal sind). Aus diesem Grund glaube ich, dass die Herausforderung an die gegenwärtige Macht des Staats-Kapitals hauptsächlich auf der sozialen Ebene sein muss, mit unserer offensichtlichen Beteiligung an den Kämpfen, an den Protesten, an den spontanen Angriffen.

In diesem Kontext hat die Methodologie der informellen Organisation, sowohl auf breiter als auch auf spezifischer Ebene, eine Daseinsberechtigung, obwohl der Staat-Kapital uns in die Klandestinität drängt, bestehen wir auf der Notwendigkeit, in den sozialen Kämpfen zusammen zu bleiben. Wenn man davon ausgeht, dass die konstituierte Macht und das telematische Informationsnetz noch nicht vollendet sind oder dass es Mängel bei der Zentralisierung der Daten auf europäischer Ebene gibt (wir wissen es nicht, aber wir stellen es uns vor), dann ändert die Überwachung und Aufzeichnung, die die Polizeikräfte bei diesen Hauptversammlungen durchführen können, nichts Wesentliches an unserer Art, den Kampf zu führen, und dies nur für das Protokoll.

Das schließt natürlich nicht aus, dass die Gefährten aufmerksam sind und alle Voraussetzungen schaffen, um jede Art von Nachlässigkeit zu vermeiden.

Das schließt natürlich nicht aus, dass kriminalisierende Versuche9 unternommen werden, um uns zu schaden (wie es bereits geschehen ist). Gerade weil es sich um Inszinierung handelt, die versuchen, unseren Kampf vom Sozialen zu trennen, die Insurrektion von den wirklichen sozialen Bewegungen zu trennen, kann unsere Reaktion nicht darin bestehen, uns in diesen Bewegungen noch mehr zu radikalisieren, sondern unsere Impulse im Einklang mit dem, was die Kämpfe fordern, noch mehr zu verstärken.

Andernfalls, wenn sie die materielle Kraft haben, uns alle auf die eine oder andere Weise verschwinden zu lassen, muss eine Macht, die von einem allgemeinen Konsens regiert wird, auch die Macht haben, dieses Verschwinden gegenüber dem Konsens, von dem sie regiert wird, zu steuern, eine Macht, die sie im Moment offensichtlich nicht hat, da sie sich für die Strategie entschieden hat, uns und unsere Handlungen von den realen Zusammenhängen der sozialen Natur zu distanzieren, die sich als Brüche in Bezug auf die Stabilität des Systems manifestieren.

Constantino Cavalleri


1A.d.Ü., hier ist mal wieder die Rede von buen rollo, eben dieses Verhalten der nicht fähig ist Konflikte zu führen und daher lieber falsche Freundschaften vorzieht.

2A.d.Ü., Cipriano Mera war ein Anarchist der im Bürgerkrieg für einige kontroversen sorgte.

3A.d.Ü., im Originaltext wird der Begriff orgástola verwendet, dieses bedeutet eine lebenslängliche Haft, aber der Ursprung, ergastulum (auf Latein), ist ein Knast der in den römischen Städten existierte, dort wurden die Sklaven eingesperrt die ihre Herren/Eigentümer auf irgendeiner Art und Weise missfallen oder beleidigt hatten, das Ziel war sie bestrafen. Genauso galten als ergástulo jene Kriegsgefangene die nicht als Sklaven verkauft werden konnten und die freien Staatsbürger die Verbrechen begangen hatten. Die Gefangenen wurden gezwungen Zwangsarbeit zu leisten.

4A.d.Ü., Akratie ein Synonym für Anarchie.

5A.d.Ü., Francisco Granados Gata und Joaquín Delgado Martínez waren zwei Anarchisten, Mitglieder der FIJL und von Defensa Interior die 1963 für mehrere Anschläge im spanischen Staat zum Tode verurteilt wurden.

6A.d.Ü., der hier erwähnte Text, Insurrektionalistische Antiautoritäre Internationale, ist auf der Seite anarchistische Bibliothek zu lesen.

7A.d.Ü., siehe Fußnote Nr. Sechs.

8A.d.Ü., mal rollo, siehe Fußnote Nr. Eins

9A.d.Ü., im Sinne einer Inszenierung der Polizei, einer Montage.

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