(gefunden auf: de.contrainfo.espiv.net)
Dieser Text wurde von Nikos Maziotis verfasst. Er behandelt die griechischen Wahlen vom 25. Januar 2015 und die Koalition zwischen der SYRIZA und ANEL.
Die Wahlen vom 25. Januar gehören zu den grössten „Errungenschaften“ zivilisierter Demokratie. Sie waren auch der Beweis, in was für eine Missgunst dieses verfaulte politische System geraten ist. 1/3 aller Wahlberechtigten kehrte diesem „Fest“ den Rücken zu ging nicht zur Wahl. Von den ca. 9.800.000 Wahlberechtigten, haben lediglich 63.5% daran teilgenommen. Das heisst, die Zahl gültiger Stimmen belief sich auf ca. 6.180.000. Hingegen gingen 3.620.000, das sind 36.5% gar nicht Wählen. Von allen Wahlstimmen erreichte SYRIZA 36%, das sind ca. 2.200.000 Stimmen. Was heisst, dass die SYRIZA Regierung lediglich von ¼ der Wahlberechtigten gewählt wurde.
Es war ein Triumph der Wahlfavoriten, und durch demokratischen Zentralismus gekennzeichnet. Es ist nicht die Mehrheit die durch ihre Stellvertreter „herrscht“, wie es sein sollte. Es ist die Minderheit. Es hat sich wieder mal gezeigt, dass das politische System gestützt vom bürgerlichen Parlamentarismus, bei Millionen von Bürgern in Verruf geraten ist. Es ist der Beweis dafür, dass durch dieses Misstrauen welches mit der ökonomischen Krise wuchs, jede Regierung der letzten Jahre eine Minderheitsregierung ist und man ihr nicht mehr trauen kann. In Wirklichkeit müsste man sagen, liegt die Macht in den Händen derer, die nicht mehr an die Wahlillusion der linken und rechten Schwindler glauben.
Million von Bürgern glauben nicht mehr an politische Parteien und erwarten auch nichts mehr von ihnen. Aber die reine Wut führt zu nichts, solange sie nicht an politische Aktion gebunden wird. Das Ziel sollte der Machtsturz der überstaatlichen ökonomischen Elite und deren Stütze, der bürgerliche Parlamentarismus, sein. Der einzige Ausweg aus diesem Leiden, ist wenn die Wut und Groll von Millionen von Bürgern, sich in politische Aktion und Dynamik verwandelt. Das heisst, der Hang der Klasse und der Gesellschaft zu einer revolutionären Perspektive, der bewaffnete Aufstand gegen Staat und Kapital. Die Perspektive einer direkten Demokratie, statt die sozialen und politischen Anliegen in die Hände Berufspolitiker zu geben. Diesem System müssen wir mit selbstverwalteten Strukturen gegen halten. Wie zu erwarten war, ist das Ergebnis dieser Wahlen eine Links-Rechts Koalitionsregierung.
Man kann die ANEL auch nicht anders als Rechts bezeichnen. Die Partei der „Unabhängigen Griechen“, mit denen der rechte Flügel der SYRIZA die Koalition formiert hat, stammt aus dem Umfeld der traditionellen nationalistischen Rechten. Ihr Programm stützt sich auf orthodoxen und nationalistischen Dogmatismus: „Nation – Religion – Familie“. Ihre politische Linie befürwortet den autoritären Staat, Dogmen in deren Mittelpunkt Ordnung und Disziplin stehen, wachsende Intoleranz, Rhetorik aus dem Umfeld von Verschwörungstheorien, Panikmache und die harte Bekämpfung aller Gefahren für das Land. Zu diesen Gefahren gehören MigrantInnen, AnarchistInnen und Militante des bewaffneten Kampfes.
Es fehlen nur noch die Hakenkreuze. Der Machthunger von SYRIZA und ANEL hat diese eigenartige Ehe zwischen Links und der extremen Rechten ermöglicht. Die abscheuliche Ehe ist auf einen schleierhaften „Anti-Memorandum-Block“ aufgebaut. So etwas hat man noch nie gesehen, weder in Griechenland, noch weltweit. Auch die Nazipartei „goldene Morgenröte“ ist eine Anti-Memorandum Partei. Sie ist aber, im Gegensatz zur SYRIZA, gegen die EU. Die Mehrheit Ihrer Wählerschaft stammt aus dem Umfeld der nationalistischen und traditionalistischen Rechte. Diese ist enttäuscht von der Partei „Neue Demokratie“ (eine Rechte Strömung der vorherigen Regierung). Bis vor kurzem war die Partei die stärkste Vertretung der griechischen Rechte. Ein Teil davon sah die Kollaborateure und Verräter der deutschen Besetzung, die „Chites“ (Mitglieder der Militärgruppe „X“ welche die Nazis während der Besatzung unterstützte) sowie die Mitglieder des „Sicherheits-Bataillon“ (Paramilitärische Gruppen die mit den Deutsch-Italienischen Truppen kollaboriert haben) stets als „griechische Patrioten“, die das Land vor dem Kommunismus gerettet haben indem sie sich mit den Deutschen vereinten.
Viele ANEL Wähler teilen diese Meinung. Es ist ein paradox, dass viele, auch AnarchistInnen, die SYRIZA als Bollwerk gegen die extreme Rechte gewählt haben, und genau diese Partei nun mit einem Teil der extremen Rechten kooperiert um zu regieren. Tatsache ist auch, dass viele die SYRIZA aus Verzweiflung gewählt haben, und sich für das kleinere Übel entschieden haben. Das gleiche gilt auch für die AnarchistInnen, die SYRIZA, gegen ihre Prinzipien, gewählt haben. Die Partei versprach die Hochsicherheitsgefängnisse Typ C für alle politischen Gefangenen und Militanten des bewaffneten Kampfes abzuschaffen. Sie glaubten an eine Abschwächung der Repression in Bezug auf die Mobilisierungen und Demonstrationen. Selbst wenn die SYRIZA-ANEL Regierung mittels eines taktischen Zuges die Typ C Gefängnisse abschaffen würde, wäre es keine Entschuldigung für den Verrat an die anarchistisch-revolutionären Werte.
Siege erreicht man durch Kämpfe, wie uns die Geschichte revolutionärer Bewegungen bewiesen hat. Nicht durch Zugeständnisse von oben, die dazu noch, aus taktischen Gründen gewährt wurden. Das Ziel dieser Zugeständnisse ist die Vereinnahmung der anarchistischen/antiautoritären Bewegung. Diese Regierung weiss, wie man das Zuckerbrot und wenn nötig auch die Peitsche benutzen kann. Die Stimmen der Anarchisten für die SYRIZA wurden gekauft. Es ist ein lächerliches Phänomen Anarchisten zuzuschauen, wie sie zusammen mit den Jugendsektionen der Regierungspartei, die sich mit der extremen Rechten zusammengeschlossen hat, zum Jahrestag des Imia-Vorfalls, gegen die „goldene Morgenröte“ demonstrieren.
Es waren die sozialen Bewegungen, welche den antifaschistischen Kampf, den bewaffneten antifaschistischen Kampf, wie die spanischen Anarchisten 1936, vorangetrieben haben. Nicht gewählte Regierungen. Der Staat und die Koalition zwischen SYRIZA und der rechtsextremen ANEL ist „antifaschistisch“!! Genauso wie die Samaras Regierung angeblich „antifaschistisch“ gewesen ist, weil sie Mitglieder der „goldenen Morgenröte“ einsperren liess!! In Wahrheit haben alle die sich selbst oppositionell oder anarchistisch bezeichnen und gewählt haben, einen schlechten taktischen Zug gemacht. Sie haben politische Schwäche gezeigt. Sie haben gezeigt, keinen Willen zu haben eine revolutionäre antikapitalistische Bewegung aufbauen zu wollen. Eine Bewegung die das Regime stürzen kann, welches diese Krise überhaupt verursacht hat.
Alle, die sich selbst oppositionell oder anarchistisch bezeichnen und gewählt haben, haben sich vereinnahmen lassen. Haben sich entschieden, sich einer Regierung anzupassen, die das linke Standbein des Kapitalismus ist. Sie haben die historische Parole vergessen:“ Die Bosse sind immer die gleichen, egal ob rechts oder links!“. Die Machtergreifung der SYRIZA sollte nicht die Positionen der AnarchistInnen ändern, die konsequent den revolutionären Kampf weiterführen. Den Kampf für den Sturz von Staat und Kapital. In diesem Kampf stellt sich uns die SYRIZA, wie jede Regierung, als Hindernis, als Feind entgegen.
Wie ich schon in meinem Text:“ Die Lösung findet man nicht mit dem Wahlzettel in der Hand, sondern mit der bewaffneten Bevölkerung“ festgestellt habe, wird die Koalition SYRIZA-ANEL kein langes Leben haben. Sie wird genauso enden wie die Regierungen von Samaras oder Papandreou. Sie wird auseinanderfallen, unter dem Gewicht ihrer Widersprüche und der nicht eingehaltenen Wahlversprechen. Sie wird sich weder der politischen Verantwortung, ihrer erzwungenen Entscheidungen, entziehen können, noch den Kompromissen die sie eingehen muss, mit der überstaatlichen ökonomischen Elite. Die grosse Frage für die Nach-SYRIZA-Zeit ist welche politischen Reserven das System hat, um die Krise in Griechenland zu verwalten. Die pluralistische Tendenz der Regierungszusammensetzung, sowie die Allianz mit der ANEL, sind Beweise für die Instabilität der jetzigen Regierung, welche die Krise weiter vorantreibt und deren Sturz herbeiführen wird.
Tatsache ist, dass diese Regierung aufgrund der Erwartungen der Wähler und ihrem „Linksprofil“ als Partei viele enttäuschen wird. Die Aussagen von Tsipras, man würde sich nicht mit Kreditinstituten oder Institutionen der überstaatlichen Wirtschaftselite anlegen, lassen künftige Kompromisse erahnen. Es gibt keinen Mittelweg zwischen Konflikt und Unterwerfung. Da die neue Regierung keinen Konflikt provozieren will, wird sie sich unterwerfen.
Es hat sich bewahrheitet, was wir von „Revolutionärer Kampf“, schon immer behauptet haben. Weder SYRIZA noch eine andere Regierung möchte in den Krieg ziehen gegen die Kreditinstitute und Institutionen der überstaatlichen Wirtschaftselite. Ihr einziges Interesse ist die Macht und sich ein Stück von der Torte zu sichern. Die zu Beginn des Wahlkampfes versprochene Abschaffung aller Bedingungen des Memorandum ist nun Geschichte. Vorhersehbar ersetzt durch Neuverhandlungen des Memorandum und der Schulden.
Sie widersetzen sich nicht dem Memorandum und den Schulden, den Ketten der Bevölkerung Griechenlands. Bevor der Hahn krähen konnte ereignete sich der erste Verrat. Die Wahlversprechen, der Grund ihres Wahlsieges, wurden gebrochen. Sie sagen sie würde die Privatisierungen stoppen. Gemeint ist die Teilprivatisierung des Hafens in Piräus (OLP), der Stromgesellschaft (DEI) oder des Naturgas (DEPA). Sie sagen sie würden nach wie vor die Konventionen berücksichtigen, um die Investitionen zu begünstigen, um die Bevölkerung auszubeuten, die Arbeiter und die natürlichen Ressourcen für das Kapital. Der Minister für den Wiederaufbau von Produktion, Umwelt und Energie Lafazanis, Mitglied der linken Plattform und Verfechter der Drachme (griechische Währung vor dem Euro), befürwortet die Privatisierung der DEPA und sagt, dass alle Memoranden schrittweise abgeschafft würden. Der neue Wirtschaftsminister Varoufakis befürwortet die Privatisierung im allgemeinen, und im speziellen die des OLP. Der Premier Tsipras versicherte auf Bloomberg, Griechenland würde seine Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Zentralbank (BZE) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) nicht vernachlässigen. Varoufakis versicherte seinem französischen Pendant in Paris, er befürworte einen neuen Entwurf oder Neuverhandlungen mit den Finanzpartnern. Das heisst einem neuen Vertrag zuzustimmen, egal ob dieses nun Memorandum heisse oder nicht, mit neuen Massnahmen, Kürzungen und strukturellen Veränderungen. Dies wurde auch am Londoner Dinnerbankett der deutschen Band und Merrill Lynch wiederholt. Ich möchte daran erinnern, dass die Samaras Regierung kurz davor Stand neue Massnahmen anzunehmen. Dies nach der neusten Einschätzung der Troika (EZB, EU, IWF). Von denen wurde behauptet es handle sich nicht um ein neues Memorandum.
Der Verzicht die Wahlversprechen einzuhalten wird rastlos vorangetrieben, besonders nachdem die EZB beschlossen hat keine griechische Obligationen mehr anzunehmen. Diese Entscheidung wird erst am 28. Februar, also am Ende des aktuellen Memorandum, in Kraft treten. Dies geschieht um Druck gegen die griechische Regierung aufzubauen. Man will sie durch Angst unterwerfen. Angst nicht mehr flüssig zu sein, vor der Mangelwirtschaft und des Bankrotts, denn die Reserven werden immer knapper. Der Regress, die eindeutigen Widersprüche und die Leugnung von Behauptungen und Versprechen werden grösser. Varoufakis behauptete bei Dijsselbloem das Memorandum zu zerreissen. Dem deutschen Finanzminister Schäuble versprach er wiederum 67% der Verpflichtungen einzuhalten.
Der neue Wirtschaftsvizeminister, Valavanis, verlangte anfangs den Rücktritt vom TAIPED (Privatisierungsbehörde) und bot eine Weiterentwicklungsperspektive an. Eine Woche später nahm er sein Versprechen wieder zurück angesichts der aktuellen Entwicklungen. Trotzdem versprechen sie weiterhin das Ende des Memorandum. Sie sind die gemeinsten Hoffnungsversprecher einer ganzen Bevölkerung.
Schon damals als wir von „Revolutionärer Kampf“, kurz nach den Wahlen, das Controlling der Unternehmensführung der griechischen Bank angriffen, zeigte sich wie realitätsfremd und utopisch die sozialdemokratischen Vorschläge der SYRIZA waren. Schliesslich dann der totale Rückschritt zu allen Themen, von der Krisenüberwindung hin bis zum Wandel in eine sozialistisch-liberale Partei. Noch nie gab es eine so schnelle Abwendung von den Wahlversprechen in der Geschichte der griechischen Politik.
Die SYRIZA-ANEL Politik unterscheidet sich nicht von der Politik der Vorgänger. Auch sie wird irgendwann zum politischen Zusammenbruch führen, wie bei ihren Vorgängern. Man muss die Ketten der Bevölkerung Griechenlands komplett aufbrechen, besonders die der Schulden und des Memorandum.
Man darf nicht über eine Verlängerung verhandeln. So etwas kann nur nach der Revolution stattfinden, wenn die Bevölkerung bewaffnet wurde. Nur können die Schulden, das Memorandum und jede vertragliche Verpflichtung zwischen der Bevölkerung Griechenlands und den Banken einseitig verweigert und ganz gestrichen werden. Kleines Eigentum, welches sich die Banken angeeignet hatten, wird rückerstattet. Das Bankensystem wird abgeschafft und der Habezins wird vergesellschaftet.
Genauso werden auch die Reichtümer von Staat und Kapital, der grossen Unternehmen und der multinationalen Konzerne angeeignet und vergesellschaftet.
Diese Aneignung verschafft uns Liquidität, Grundstücke und Immobilien. Der ökonomische Wiederaufbau wird dann von Selbstverwaltungen und Selbstorganisationen finanziert und materiell gefördert. Genau so wird auch der Wiederaufbau von Produktion, Industrie, Landwirtschaft und die Selbstorganisierung des sozialen Lebens von überall und allen unterstützt werden. Nur so ein revolutionärer Prozess wird eine Lösung für das Elend der kapitalistischen Krise bringen. Klassenunterschiede werden überwunden, die Bevölkerung wird selbst über sich entscheiden in selbstverwalteten und selbstorganisierten Strukturen. Es wird ein föderalistisches System sein, mit Versammlungen der Bevölkerung und ArbeiterInnenräten die einen libertären Kommunismus einleiten werden.
Jetzt ist es die Aufgabe aller KämpferInnen, die Pflicht für die anarchistische/antiautoritäre Szene, von uns allen den Aufbau einer revolutionären Bewegung zu arbeiten. Eine Bewegung, die Staat und Kapital stürzen wird, dazu müssen wir den politischen Zusammenbruch der SYRIZA, des Systems im Allgemeinen ausnutzen.
Kein Waffenstillstand – Keine Vereinnahmung
Für den Aufbau einer bewaffneten revolutionären Bewegung
Für den Gegenangriff und den Sturz von Staat und Kapital
Nikos Maziotis
Mitglied von „Revolutionärer Kampf“
Aus dem Gefängnis von Domokos
Quelle auf Griechisch, übersetzt aus dem Englischen