(gefunden auf: linksunten.indymedia.org)
In den Morgenstunden des 28.4.15 startete die tschechischen Polizei die „Operation Phönix“, die auf die Verfolgung der anarchistischen Bewegung und der radikalen Linken in Tschechien abzielt. Die meisten der Festgenommenen wurden bald ohne Anklage freigelassen. Drei Anarchisten sitzen aber noch im Gefängnis, während gegen noch drei weitere Ermittlungen geführt werden. Den Gefangenen wurden Anklagen wegen unerlaubter Bewaffnung und Terrorismus im Planungsstadium zugestellt. Trotz des verhängten Informationsembargos wurde in den Medien schnell von zwei Polizeispitzeln berichtet, die in dem Fall eine Rolle spielten. Diese Informationen blieben aber unkonkret und oberflächlich. Asociace Alerta hat darum nun detailiertere Informationen und Fotos dieser Agenten veröffentlicht, die ich hier gekürzt wiedergeben will.Zwei der Inhaftierten wird vorgeworfen, an der Planung eines Anschlages auf einen Zug mit Militärmaterial oder Autos der Marke Hyundai beteiligt gewesen zu sein. Die Angeklagten sollten angeblich Flaschen mit Brennstoff vorbereiten, testen und die Logistik des Anschlages planen. Die Lächerlichkeit der Behauptung, jemand würde versuchen mit solchen Brandsätzen einen rundum gepanzerten Zug anzuzünden und zu zerstören, soll hier mal keine Rolle spielen.
Konzentrieren wir uns auf die wichtigen Fakten. Anders als behauptet, handelte es sich bei der Wohnung, wo die angeblichen Treffen der terroristischen Gruppe stattgefunden haben sollen nicht um eine konspirative Wohnung. Es ist eine ganz gewöhnliche Wohnung, in der mehrere Personen aus der anarchistischen Bewegung wohnten. Sie wohnten auch nicht aus konspirativen Gründen gemeinsam, sondern um ganz einfach Wohnkosten zu sparen. Gemeinschaftliches Wohnen ist heutzutage nicht nur unter Anarchisten nicht unüblich.
Wer in der erwähnten Wohnung lebte war nie ein Geheimnis. Gerade darum war es für die Agenten so einfach, dort nicht nur Menschen zu treffen, die da wohnten. Es war kein Geheimnis, dass dort auch aktivistische Treffen stattfanden, auf denen die normale Agenda der Gegenwart besprochen wurde. Es ging um Werbekampagnen, Benefizkonzerte, öffentliche Versammlungen, Kochen für Obdachlose und andere Themen, die garantiert nicht in die Kategorie Terrorismus fallen. Dabei ist selbstverständlich nur die Rede von den inhaftierten oder anderweitig verfolgten Anarchisten, mitnichten von den Polizeispitzeln. Gerade diese Spitzel versuchten, diese und andere Treffen zu Provokationen zu nutzen.
Von den Agenten kamen Appelle, dass Plakate kleben nicht reiche und härtere Aktionen nötig wären, verbunden mit Angeberei, welche Aktionen sie schon mitgemacht hätten. Die Verfolgten Anarchisten und Andere, die mit den Agenten in Kontakt standen legen nahe, dass auch die beschriebenen Anschlagspläne aus der Feder der Spitzel stammten, ohne dass sich die jetzt Gefangenen aktiv daran beteiligt hätten. Martin I. schrieb dazu aus dem Gefängnis Praha-Pankrác:
„Operation Phönix“ gründet sich auf die Provokation von Polizeispitzeln. Ihr Ziel war, uns da hineinzuziehen und alles auf uns abzuwerfen. Ich habe den Verdacht, dass die Polizei und Ermittler Beweise manipulieren. Sie glauben, wir würden alles gestehen, aber unser Geständnis wäre blanke Lüge, was wir nicht zulassen können! Es ist interessant, wie mensch Opfer von Repression werden kann, nur durch die Hilfe von Agenten und Polizei. Alles war so organisiert, dass die „Schuld“ auf uns fällt. Sie taten das mit einem klaren Ziel und so, dass sie viele Menschen mit hineinstießen. Sie wollten einen Fall von Terrorismus, also haben sie ihn sich selbst geschaffen.
Wer sind sie, woher kamen sie?
Die auf den Fotos abgebildeten Spitzel hören auf die Decknamen Petr und Robert. In einer ersten Phase ihrer Tätigkeit schlossen sie sich Personen im Umkreis der Voice of Anarchopacifism (VAP) an, losen Verbindung anarchistischer Gruppen. Durch ihre relativ offene und informelle „Struktur“ wurde die VAP verständlicherweiße zum leichten Sprungbrett für die Polizeiagenten.
Die zeigten sich allmählich auf verschiedenen öffentlichen und klandestinen Aktionen, damit die Menschen in der Bewegung das Gefühl bekämen, sie gehörten dazu. Sonderlich gut gelang ihnen das aber nicht und auch wenn Beweise fehlten, betrachteten einige Anarchisten sie als verdächtig und mieden ihre Mitarbeit. Solang es sich nur um unbestätigte Behauptungen und Annahmen handelte, verwehrte ihnen aber niemand, an einigen Aktionen der anarchistischen Bewegung teilzunehmen. So nahmen sie auch an klandestinen Aktionen teil, wie Plakate kleben oder Banner aufhängen.
Es kann verschiedene Gründe geben, warum die Agenten vor ihrer Enttarnung einige Anarchisten zur Mitarbeit gewannen. Die Menschen, die mit ihnen in Kontakt waren, sind sich aber in einer Sache einig. Die Agenten boten gern materielle und andere Unterstützung da, wo sie gebraucht wurde. Erschien ein anarchistisches Plakat oder eine Zeitung, verbreiteten sie es. Brauchte jemand Internetzugang oder musste telefonieren, ermöglichten sie es. Musste irgendwo eine größere Ladung oder mehrere Menschen abgeholt werden, boten die Spitzel ihre zwei Lieferwagen an und trugen die Spritkosten. Eines ihrer Autos war schwarz und es gelang nicht, das Kennzeichen zu dokumentieren. Das andere, rote Auto ist auf einem der Fotos zu sehen, das Kennzeichen lautet OCM-63-80.
Sie bringen uns nicht zu schweigen, sie stoppen uns nicht
Welche Schlüsse können aus diesen Informationen gezogen werden? Die gute Nachricht ist, dass die anarchistische Bewegung den Herrschenden wirklich ein Dorn im Auge ist. Anarchisten stellen sich offen in gegen Unterdrückung und die Vorherrschaft von Menschen über Menschen. Es überrascht also nicht, dass der Staat und Polizeieinheiten versuchen, solch eine Bewegung zu unterdrücken. Es sind ja gerade die staatlichen Institutionen, deren historische Aufgabe ist, gesellschaftliche Hierarchien und die Herrschaft der kapitalistischen Klasse sicherzustellen.
Die Operation Phönix und der Einsatz verdeckter Ermittler erinnert uns von Neuem an die gut bekannte Wirklichkeit. Der Staat zögert nicht, die niederträchtigsten Methoden anzuwenden, die anarchistische Bewegung zu diskreditieren, zu spalten und unterdrücken.
Die historische Erfahrung zeigt aber auch, dass sich die anarchistischen Prinzipien nie ganz unterdrücken lassen und immer eine Reihe Anhängern finden, die sie in der Praxis umsetzen. Die Polizei überfällt, bestiehlt und terrorisiert uns und nimmt unsere Genossen gefangen. Das alles ändert aber nichts daran, dass der anarchistischer Widerstand ein Teil der täglichen Realität bleibt. Wir versuchen weiter, diese Realität zu aktive zu beeinflussen, mit Worten und Taten.
„Wenn die Worte ausgehen ist Kampf der einzige Weg. Solidarität mit der Klinik.“