Repression in Belarus

(gefunden auf: linksunten.indymedia.org)

Omon-EinheitAm Samstag, dem 1. August 2015, fand in Minsk, Belarus, ein unangemeldetes Punk-Rock Konzert in einem Waldstück am Stadtrand statt. Dieses wurde gewaltsam von den Einheiten der OMON sowie anderen (Zivi-) Cops nach ca. 2 Stunden beendet. Es ist die zweite repressive Maßnahme in dieser Form seitens des diktatorischen Staates seit Januar 2015. Von etwa 50 BesucherInnen des Konzertes wurden die Personalien aufgenommen; 3 davon müssen mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Zum genaueren Verlauf der Ereignisse:

Im Район Железнодорожной, etwas außerhalb von Minsk, fand also oben genanntes Konzert um 20:00 Ortszeit statt. Es spielten u.a. die schon länger in der Szene etablierte Band „The Destroyers“, sowie 7 weitere. Gegen 22:00 tauchten wie aus dem Nichts etwa 20-30 OMON-Cops, sowie weitere Einheiten, auch in Zivil, auf und begannen willkürlich auf die Leute (insbesondere die zum Zeitpunkt spielende Band) einzuknüppeln. Einige mussten sich mit den Gesichtern zum Boden hinlegen, andere sollten sich um das Lagerfeuer versammeln, während die Bullen versuchten, die OrganisatorInnen des Konzertes ausfindig zu machen. Nach ca. einer weiteren Stunde, in denen einige wenige nach Bezahlung einer Strafe wegen „unangemessenen Parken“ nach Hause fahren durften, nahmen die Cops ca. 40-50 Leute mit auf die nahe gelegene Milizstation. Von Letzteren wurden die Personalien aufgenommen und „Hooliganismus“ in der Akte vermerkt. Betroffen von jeglicher Gewalt, sowie weitergehenden repressiven Maßnahmen (außer der Vorwurf „Hooliganismus“ sowie das Aufnehmen der Personalien), waren ausschließlich Männer. Die BesucherInnen wurden im Gefangenentransport zur Milizstation gefahren. Der Großteil der Leute wurde dort nach Feststellen der Personalien freigelassen und durfte nach Hause gehen. Im Gefangenentransport selber wurden 5 der männlichen Besucher in den Zellen des Wagens von der OMON verprügelt. Damit die Schreie der Opfer nicht zu hören waren, drehten die Bullen laute Musik auf. Dennoch waren deutlich Schreie außerhalb der Zelle zu vernehmen, sowie das Aufprallen der Schlagstöcke. Aufforderungen von ZeugInnen, die Gewalt zu unterlassen, wurden mit spöttischem Lachen und Witzen beantwortet. Das alles dauerte etwas eine Minute.

Auf der Station selber wurde einer der Gefangenen abermals in eine Zelle gesperrt, in der weiter auf ihn eingeschlagen wurde. Später wurde von den Bullen in der Zelle die Tür geöffnet, um zwei weitere Kollegen zum Verprügeln dazu zu holen. Dabei sah man, laut Zeugenberichten, den Gefangenen deutlich stöhnend auf dem Boden liegen. Nichtsdestotrotz wurde dann zu Viert weiter geprügelt, wobei die ZeugInnen außerhalb der Zelle das Brüllen und die Schreie des Opfers vernahmen, jedoch nicht in der Lage waren, ihm zu Hilfe zu kommen. Die notwendige medizinische Versorgung wurde natürlich nicht gewährleistet. Ein Einfordern dessen war von Vornherein nicht möglich. Die Inhaftierten haben auf der Bullenstation mehr als 10 Stunden ohne Nahrung und Wasser verbringen müssen.

Am Montag, dem 2. August 2015, knapp einen Tag nach dem Geschehnis, mussten sich die 3 Inhaftierten vor Gericht verantworten. Der Vorwürfe lauteten:

1. laut § 234 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten:
„ Widerstand gegen Vollzugsbeamte“
2. laut § 173 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
„Trinken von Alkohol, Softdrinks oder Bier am öffentlichen Ort oder das Erscheinen im Rauschzustand am öffentlichen Ort“
(laut einem Betroffenen wurde kein Alkoholtest durchgeführt)
3. Die Teilnahme an- sowie Organisation eines unangemeldeten Konzertes

Nachdem sich Richter S. Tkachuk mit den Protokollen der Bullen vertraut gemacht hatte, kam er zum Schluss, dass „Widerstand gegen Vollzugsbeamte“, wie er im Gefangenentransport angeblich passiert sei, noch nicht Grund genug für die Inhaftierung darstelle. So wurden alle administrativen Unterlagen zur „Überarbeitung“ der Bullenstation des Bezirks zurückgegeben. Das Datum für eine weitere Anhörung ist bisher unbekannt.
Als weitere repressive Maßnahme wurde während des Konzerts das gesamte Musik-Equipment im Wert von ca. 5000$ durch die Milizionäre beschlagnahmt. Dies ist jedoch nirgendwo dokumentiert und was damit passieren wird, ist bis dato unklar.

Wir möchten im Folgenden ein paar weiterführende Worte zum Vorfall in Minsk schreiben; sozusagen ein wenig Hintergrundwissen zur momentanen Lage in Belarus von linken/anarchistischen/alternativen Menschen allgemein vermitteln. Auf Basis dieses Wissens sind die Vorkommnisse vom 01.08. insbesondere, aber auch allgemein die Situation vor Ort einfacher nachvollziehbar.
Auch ist es uns wichtig, den Fokus durch diesen Bericht etwas mehr auf die belarussische linke Szene zu legen und alle zu Solidarität aufzufordern, denn sie ist das, was den Menschen dort Rückhalt, Zuspruch und Kraft geben kann.

Am 11. Oktober diesen Jahres wird es erneut Präsidentschaftswahlen geben. Zur Wahl stehen 8 potenzielle KandidatInnen; allen voran natürlich Lukaschenko, der das Land seit 1994 diktatorisch regiert.
Zu Lukaschenko muss man nicht unbedingt viel schreiben; er lebt ganz frei nach dem Motto „Besser Diktator, als schwul“ (Zitat seinerseits). Die Gesellschaft dieses Landes kann man mit dem Wort „geradlinig“ ganz gut beschreiben; das Bild, was sich einem auf der Straße in den belarussischen Städten liefert, ist überwiegend geprägt von Milizionären – in Gruppen, alleine in der Metro, in den Cafes, an den Bushaltestellen (es kommt laut Statistik ca. 1 Cop auf 100 BürgerInnen)– Frauen* auf Absatzschuhen; „perfekt gestylt“, sowie Sauberkeit und den damit verbundenen umherziehenden Putzkolonnen. Alles ist gleich oder ähnlich; die Stadt ist ein Ort, in dem die Menschen wie die grauen Herren bei Momo aneinander vorbeiziehen; ein Ort, an dem fast alle Bereiche des Lebens gleich geschaltet sind . Aus westlicher Perspektive alltägliche Verhaltensweisen, wie z.B. sich an einer Bushaltestelle oder auf der Straße einfach auf den Boden zu flezen sind zwar möglich, aber unangenehm, da mensch  stets damit zu rechnen hat, von irgendwelchen PassantInnen dumm angequatscht zu werden, was das soll oder von der Miliz den Satz hören zu müssen „Das ist illegal, unterlasse das!…“
Es gibt den „echten Mann“ und die „gute Hausfrau“, die mit spätestens Mitte 20 ihr erstes Kind bekommt und geheiratet hat. Die Frau* muss allseits bereit sein, den potenziellen Ehemann zu finden, was das obig beschriebene Bild erklärt. Der krasse Sexismus in der Gesellschaft erklärt auch, warum während des Überfalls beim Konzert den weiblichen Teilnehmerinnen nichts getan wurde, während die männlichen Teilnehmer teils aufs Übelste zusammengeschlagen worden sind. Frauen* sind also sozusagen weitestgehend aus dem Schneider; der „Konflikt“ wurde „unter Männern“ „ausgehandelt“; Frauen* wird so ein politisches Engagement oder auch der Wille und die Kraft, das System zu verneinen und zur Not auch anzugreifen, faktisch abgesprochen.
Alles, was in Belarus über der vom Staat propagierten Norm hinaus an alternativen Lebensformen besteht, bekommt die Intoleranz der Gesellschaft und des Staates drastisch zu spüren.
So ist ein Leben jenseits der etablierten homogenen Gesellschaft zwar möglich, aber von weitreichenden Repressionen überschattet, die, ganz einfach gesagt, zum Kotzen sind.
Darum also wurde auch das Konzert am 01.08. nicht angemeldet, sondern der Ort dafür in den Wald verlagert, um einen Abend ohne die Augen des Staates ein Punk-Rock Konzert veranstalten zu können; zu konsumieren, wie mensch will und einfach nur mit den Leuten zu chillen, die ähnlich denken wie mensch selber.
In Belarus ist die Verlagerung der Szene-Treffpunkte von der Stadt in die Natur im Laufe der Jahre immer üblicher geworden, da auch die Repressionen und die Schikane seitens der Bullen, vor allem seit der letzten Großdemonstration zu den Präsidentschaftswahlen 2010, immer stärker geworden sind.
Viele AntifaschistInnen/AnarchistInnen oder einfach nur Menschen mit einem „alternativen“, von der Norm abweichenden Lebensstil sind aus diesem Grund in den letzten Jahren emigriert oder aber eingeknastet worden. Letztere nicht immer nur für politisches Engagement in welchem Umfang auch immer, sondern manche bspw. ganz einfach aus dem Grund, dass sie Gras rauchen/geraucht haben (der Anbau von Gras kann mit bis zu 7 Jahren Haft bestraft werden). Die anstehenden Wahlen sind für die Staatsmacht Anlass für noch stärkere Kontrollen, Überwachung und Razzien. Wer kann, verpisst sich für die kommenden Monate oder für immer.

Das Leben derer, die momentan in Belarus leben und das sexistische, homophobe, rassistische und generell faschistische System ablehnen, ist kein leichtes und Solidarität für jene, die jeden Tag dagegen kämpfen müssen oder durch ihre Kämpfe im Knast sitzen, ist zwingend notwendig!
Also; zeigen wir uns solidarisch mit den AntifaschistInnen, AnarchistInnen und Punks in Belarus!
Solidarität ist eine Waffe – benutzen wir sie!

Es gibt einige Wege, auf denen mensch sich solidarisch zeigen kann und den Leuten vor Ort helfen kann. Zentral hierbei ist das Anarchistic Black Cross Belarus, das sich im Allgemeinen um von Repressionen betroffene AktivistInnen kümmert; sei es durch Gelder, Öffentlichkeitsarbeit oder Briefe für die derzeit politischen Gefangenen.
Auf ihrer Internetseite kann mensch spenden, selber Briefe schreiben oder sich informieren; die Seite gibt es in russischer und englischer Sprache.

http://abc-belarus.org/?lang=en

Abgesehen davon kann man natürlich jederzeit Sensibilität für das Thema schaffen, indem man ganz einfach darüber spricht; Vorträge organisiert. Das ist u.a. ganz besonders wichtig, da Belarus ein Land ist, welches in den westlichen Meiden so gut wie nie auftaucht und weitestgehend isoliert ist, was sich als Konsequenz in unterschiedlicher Weise auf das Leben der Menschen dort auswirkt.

Ansonsten gibt es viele andere Möglichkeiten; wie eine kleine Aktion in Vilnius beispielsweise zeigt:

Quellen:
http://abc-belarus.org/?p=6260
http://abc-belarus.org/?p=6268
news.tut.by/society/458681.html</p>

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