AVALANCHE – Anarchistische Korrespondenz Nr. 6 auf Deutsch

(gefunden auf: avalanche.noblogs.org und linksunten.indymedia.org)

Avalanche DE 6Die eine Hälfte der Welt befindet sich im Krieg, die andere Hälfte wartet auf ihren Zug um den grausamen Ball des Massakers und Blutvergießens zu betreten. Während die Staaten zur totalen Mobilmachung blasen, verschlingt das islamistische Krebsgeschwür Aufstände, welche, zu beginn von einem starken Verlangen nach Freiheit und der Zurückweisung der Ideen der Machteroberung geprägt waren, wie in Ägypten und Syrien. In den Nachbarschaften der immer zahlreicheren Ausgeschlossenen in den europäischen Metropolen, gedeiht die Verwirrung, welche produziert wurde durch Jahrzehnte von Verdummungsprogrammen, Beraubung analytischer Werkzeuge und Zerstörung des Geistes und der Sensibilität durch eine von Technologien überschwemmte Welt.

Eine Verwirrung, die die Kontinuität der kapitalistischen und staatlichen Herrschaft garantiert, aber zur gleichen Zeit die Rekrutierung durch eine Religion, eine Ideologie, eine Nation begünstigt. Das Massaker im Namen der Machtergreifung lauert direkt um die Ecke. Und was die wenigen revolutionären Spannungen betrifft, so scheint es, dass sie eine weitere Verdrängung an die Ränder erwarten müssen, nahe der Vergessenheit und dem Verschwinden von der Bühne des sozialen Krieges.

Nein, es sind keine rosigen Zeiten, für jene, die die soziale Revolution und den Kampf für die Freiheit noch nicht aufgegeben haben. Selbst wenn die paar wenigen Kämpfe in die wir verwickelt sind bestimmt nicht unwichtig sind und die aufständischen und anarchistischen Projektualtitäten immer, meist unerwartet, den Boden des sozialen Krieges fluten können, müssen wir die Dringlichkeit, oder mehr noch die Lebensnotwenigkeit aufzeigen, diese Tendenz umzukehren. Die Pfade um dorthin zu gelangen sind trüb, die repressiven Risiken sind hoch (und werden noch höher sein in den kommen Tagen der totalen Mobilmachung), es ist jedoch oft wenn du mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt bist, dass du den Mut und die Stärke findest es ein letztes Mal zu versuchen – einen letzten Sprung, um der Erstickung zu entkommen.

Wenn die Welt heute in den Krieg zieht, wissen die Anarchistinnen, dass der Frieden auch immer ein Krieg war. Die Massaker sind in Übereinstimmung mit der Logik jener, die eine Macht aufzwingen wollen, sei sie eher unter staatlicher Kontrolle oder unter religiöser, unter stalinistischer oder unter islamistischer. Und das Blutbad findet täglich statt, buchstäblich durch die Waffen-, Sicherheits- und Auslöschungsindustrie und breiter gefasst durch den Kapitalismus, die Ausbeutung und die Umweltzerstörung und -vergiftung. Wenn überall all jene, die mit Freiheit in ihrem Herzen, gegen diesen Krieg und diesen Frieden kämpfen noch weiter an die Ränder gedrängt werden, wie wir gesagt haben, ist es Zeit dies anzuerkennen und dementsprechend zu handeln. An den Rändern – vielleicht – aber nicht ohne Ideen. Eine absolute Minderheit, aber nicht ohne Courage. Nahezu jeder Relevanz beraubt – möglich – aber nicht ohne Projekte.

Lasst uns über diese Projekte reden. Manche gegenwärtige Kämpfe können uns ein paar Hinweise liefern, wie z.B. die Möglichkeit, auf Initiative von Anarchistinnen, spezifische Kämpfe zu starten, welche fähig sind in das sich in Zersetzung befindliche gesellschaftliche Gefüge einzufallen. Andere Erfahrungen, kürzlich oder länger zurückliegend, lehren uns, im Guten wie im Schlechten, wie sich auf die unausweichliche Repression vorbereitet werden kann. Wieder andere Geschichten geben uns eine Gewissheit, dass es in den Tiefen dieser widerlichen Gesellschaft immer einen Weg gibt sich zu bewegen, sich der Kontrolle zu entziehen und Komplizenschaften zu finden. Spezifische Projekte die wir heute entwickeln, jede und jeder von uns in einem bestimmten Kontext, in einer bestimmten Zeitperiode, mit spezifischen Zielen und den dafür benötigten Mitteln, sollten Teil einer breiteren Projektualität sein, die fähig ist Verbindungspunkte zwischen diesen einzelnen Projekten zu schaffen.

Mit der gegenwärtige Situation konfrontiert, scheinen zwei Elemente von höchster Wichtigkeit in dieser Projektualität: nach den Mitteln für den Kampf suchen und der internationalistische Ansatz. Das erste Element ist selbstverständlich, dennoch nicht einfach: Um zu kämpfen, brauchen wir die Mittel die uns das erlauben. Diese Mittel sind jeglicher Art. Die Suche nach diesen Mitteln nimmt heute noch mehr Wichtigkeit ein, da die Verbindungen mit den vergangenen Erfahrungen gekappt sind, durch das Programm der Restrukturierung und der Repression: Die revolutionäre Bewegung insgesamt wurde, zumindest in Europa, entwaffnet. Heute sind wir Waisen dieses Prozesses. Und es ist höchste Zeit das Biest bei den Hörnern zu packen und es in Angriff zu nehmen. Für die Kämpfe die kommen werden, müssen wir die Mittel des Angriffs studieren, müssen wir begreifen wo sich die Zutaten für den Kampf finden, müssen wir die Kapazitäten entwickeln, die wir über die Zeit verloren haben. Die Verwendung des Imperativs ist hier nicht lediglich eine Frage des schlechten Geschmacks, seine Wahl antwortet auf die unvermeidbare Notwendigkeit seiner Bedeutung, wenn die revolutionäre Idee das gegenwärtige und das kommende Schlachten überleben will.

Das zweite Element ist bestimmt nicht neu. Seit Jahren und Jahrzehnten wird es von anarchistischen Gefährten wiederholt und versucht etwas daraus zu machen: Der Bedarf nach einer internationalistischen Perspektive, basierend auf einer geteilten Projektualität. Wenn das Internationale bereits irgendwie existiert, in jedem grenzübergreifenden Treffen, in jeder Zusammenarbeit, die über die Begrenzungen der lokalen Situation hinausgeht, sollten wir auf eine Klärung und Materialiserung dieser Projektualität hinarbeiten. Zu einfache Pfade (wenn man uns erlaubt ein paar zu benennen: allgemein gehaltene internationale Aufrufe dazu, etwas zu tun; die gegenseitige Erkennung in einem Akronym oder durch stagnierende und obsolete Formalisierungen von Verbindungskomittes und Syntheseorganisationskomittes) sprechen uns nicht an: Die Suche danach sollte orientiert sein, internationale Räume der Debatte und Vertiefung zu schaffen; nach der Multiplikation der Refernzpunkte auf einer lokalen Ebene; nach dem Experimentieren mit der informellen Organisation auf der Basis eines spezifischen Projekts; nach der Entwicklung von Analsyen, die über die eigenen Hinterhöfe hinausgehen. Die Internationale von der wir sprechen kann keine präzisen Konturen oder Formen haben, sie materialisiert sich einfach in jedem indivduellen Akt ausgehend von der Projektualität, die sie [die Internationale] belebt; in der Vielfältigkeit von Treffen die nach der Wiederbelebung eines autonomen und kämpferischen Anarchismus trachten; in jedem Projekt dass wir erfolgreich über die Grenzen hinweg entwickeln.

Diese paar Gedanken wären vielleicht wo anders besser aufgehoben, als im Editorial der Avalanche. Wir nehmen die Herausforderung an sie überall dorthin zu tragen, wo Anarchisten oder Kreise von Anarchistinnen die totale Zurückweisung aller Staaten und Autoritäten nicht aufgeben. Möge jede und jeder diese Herausforderung auf ihre oder seine Art und Weise aufnehmen. Kein Zurück.


4 – Deutschland – Den Fuß vor die Haustüre der Verantwortlichen setzen

7 – Deutschland – Das Herz gefüllt mit Mitternacht

9 – Bolivien – Wir leben in einem kapitalistischen Regime

11 – Bolivien – 29. Mai, vor drei Jahren

14 – Bolivien – Drei Jahre nach der Repressionswelle

16 – Chile – Über die jüngsten Verhaftungen in Folge von Straßenkämpfen

18 – Chile – Über die aufständische anarchistische Projektualität

20 – Spanien – Gegenüber der Repression… zählt nicht alles!

22 – Spanien – Straferlass und Nachsicht

26 – Spanien – Äußerung der neun anarchistischen Gefährten, die aus der Haft entlassen wurden

29 – Frankreich – Einige Überlegungen für ein Kampfprojekt gegen die Grenzen

33 – Frankreich – Kriegszeit

38 – Frankreich – Gegen diese militarisierte Welt, treten wir aus der Herde!

40 – Frankreich – Weder ihren Krieg, noch ihren Frieden

42 – Griechenland – Analyse eines Hungerstreiks

46 – Italien – Eine antinukleare Sabotage


Für Kontakt oder Anfrage nach mehreren Ausgaben schreibt an: avalanche-de@riseup.net  

avalanche.noblogs.org

Einzelexemplare können bei Black Mosquito bezogen werden.

 

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Avalanche DE 6 – final (PDF)
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