(gefunden auf: linksunten.indymedia.org)
Das entsprechende Audiofile könnt ihr hier finden:
http://akpradio.podspot.de/post/widerstand-im-knast-und-widerstand-nach-…
Zur Website des AKP (Autonomes Knast Projekt): http://autonomes-knastprojekt.blogspot.com/
B: Wir sitzen hier im Studio der Radiowerkstatt „FLOK“ . Unser Thema ist heute – Widerstand im Knast und die Zeit danach. Dazu habe ich zwei Antiknastaktivisten im Gespräch, live W. und später telefonisch zugeschaltet den G. Aus gegebenem Anlass möchten wir anfangs auf ein konkretes Beispiel hinweisen, und zwar dem Leben und Wirken des Denis Pecic. W., Du hast einiges über ihn recheriert?W: Denis Pecic ist den meisten wohl nicht bekannt. Er ist 87 Jahre alt geworden und starb kurz nach seinem 87 Geburtstag. Er hat wohl die Hälfte seines Lebens in Gefängnissen verbracht, insgesamt 35 Jahre ohne Unterbrechung, auch in Hamburg und zwar in dem damals sehr berüchtigten Knast „Santa Fu“. Santa Fu war, nachdem Ossendorf ein bisschen geschliffen worden ist, der „Mittelalter“ Knast per se.. und Denis war 1972 an einem Gefangenenaufstand dort beteiligt. Das Ergebnis war, daß sich die Haftbedingungen dort etwas verbessert hatten. Es gab längere Freistunden, es gab einen Psychologen, es gab nun eine medizinische Grundversorgung und Denis machte dann weiter, hat allerdings dann einen Weg eingeschlagen, der sehr widersprüchlich ist, wie das ganze Leben von ihm. Er hat als Gefangener ein „Alternatives Strafvollzugsgesetz“ entworfen, was für mich erst mal etwas befremdlich klang, weil so was wie ne Beteiligung an der Bestrafung aus der Sicht des Gefangenen, hat aber auch – sehr interessant – später ne Broschüre gemacht über die Entwicklung von Strafen und Strafvollzug in Hamburg. Also eine interessante Person, an der wir durchaus das heutige Thema festmachen können: Widerstand im Knast und Widerstand nach dem Mensch im Knast gewesen ist. Mit seinen 87 Jahren war er bis zum Ende doch schon ein Kämpfer, na eher für ne Reformierung des Strafvollzuges und der Knäste.
B: Und was hat er dann da gemacht?
W.: Er hat viele Vorschläge gemacht, Alternativen in Behandlungen gegenüber den Gefangenen, hat z.B. in den 70er Jahren sich geweigert, im Knast zu arbeiten, weil damals das sogen. „Arbeitsentgelt“ noch niedriger war als heute und wurde daraufhin wochenlang in die Isolierstation gesteckt. Das entsprach seinem weiteren Wirken. Ne Mischung aus wirklichen Kampf gegen die Bedingungen im Gefängnis und der Versuch, die Bedingungen zu reformieren. Er hat nach seiner Entlassung mit kritischen Leuten draussen zusammengearbeitet, mit Krimologen , mit Kriminalwissenschaftlern , Reformern , dabei immer wieder neue Vorschläge gemacht, wie Mensch den Strafvollzug ändern kann. Er war also nicht unbedingt ein Anti-knastkämpfer , sondern er war vor Ort einer, der immer die kleineren Schritte gemacht hat.
B.: Ich habe dieses Interview am Anfang als ein Gespräch gegen das Gefängnis bezeichnet. Du hast ja auch eine Antiknastposition. Kannst du etwas näheres dazu sagen, vor allem für die Leute, die Gefängnisse für ganz selbstverständlich halten.
W.: Die halten ja im Grunde die Strafe, das Bestrafen für selbstverständlich. Das Gefängnis ist ja der steinerne Ausdruck des Ganzen. Ich bin also dementsprechend gegen Strafen – daß Menschen also sich Strafen gegenüberstehen, daß Konflikte durch Strafen gelöst werden sollen, zumal das Strafen auch immer ein Machtverhältnis ausdrückt, sich auf dem hiesigen System aufbaut, daß die Leute, die strafen, die Leute sind, die die Macht dazu haben und auf einen grossen Apparat aufbauen können. Ich bin dagegen, weil es mit dem Menschen nichts mehr zu tun hat und Gefängnisse hat mit dem Menschen, in der Annahme, in der Empathie, nichts zu tun, eher das Gegenteil, sie haben die Aufgabe, den letzten Teil der Menschlichkeit bei diesen kaputtzumachen, durch das Prinzip der Rache, was mit der Strafe einhergeht. Und da ist mein Widerstand dagegen. Soll heissen: ich bin nicht nur gegen das Gefängnis, sondern auch gegen eine bestimmte Gesinnung oder Einstellung, die ich bis heute versuche, rüberzubringen, z.B. auch in Form von solchen Radiosendungen wie diése hier oder durch meine Mitarbeiter im „Autonomen Knastprojekt Köln.“
B.: Jetzt speziell zu der Erfahrung, die Menschen machen, wenn sie eingesperrt werden. Erscheint da nicht Widerstand als notwendig, selbst wenn sie es sich vorher nicht so bewusst gemacht haben?
W.: Denis Pecic ist ein Beispiel dafür, daß Menschen die entweder mehr oder weniger zufällig oder durch ein bestimmtes System ins Gefängnis geraten, irgendwann an die Grenzen ihrer Akzeptanz gelangen und merken, welch repressiven menschenverachtenden Bedingungen sie täglich ausgesetzt sind und dann Widerstand eigentlich fast normal ist, nur Widerstand heisst dann aber auch, die Kraft zu haben und vorwärts zu denken. Viele akzeptieren den Knast erst einmal und wenn sie merken, sie krepieren dran, dann gehen die meisten mehr nach innen, die Suizidrate in Gefängnissen ist höher als die der Aufstände.
B.: Siehst du noch andere Gründe dafür, warum so wenig Widerstand im Knast geleistet wird bzw. warum er für uns draussen so wenig sichtbar wird?
W.: Ja, da müssten wir uns selber hinterfragen, also wir draussen, weil die Menschen, die wir ansprechen, weil sie sagen, sie würden etwas gegen Knäste machen , zu wenig tuen. Was momentan geschieht, meine eigene Erfahrung drinnen liegt einige Jahrzehnte zurück, und meine Erfahrung draussen nun aktuell sehe ich Menschen, die im Knast sich sehr individuell wehren oder in kleinen Gruppen temporär, also keine grösseren gemeinsamen Kämpfe, es geht immer nur einzelne Kämpfe von einzelnen Gruppen, von einzelnen Leuten, die nicht zusammenkommen. Wenn wir jetzt mal die sich auf ein Thema konzentrierte aktuelle Gruppe der „Gefangenengewerkschaft“ etwas auf Seite lassen – es gibt ja auch von Seiten des „Autonomen Knastprojekts“ dazu einige Stellungnahmen – ist es doch so, daß viele Menschen es vielleicht nicht gelernt haben, sich zu wehren.
Rebellion entsteht ja oft oder in der Mehrzahl in den Knästen oder ähnlichen Institutionen durch Kleinigkeiten- das Essen ist mies, wir können nicht in den Gruppenraum, vielleicht auch wenn einer gestorben ist… dann kommt das Ganze nach aussen, wird Widerstand, aber es gibt dann keinen/e, die diesen Widerstand auch aufgreifen, ihn vorwärtstreiben, ihn in grössere Forderungen reinstellen.
B.: Ja, ich habe auch den Eindruck, daß es viel Widerstand im Alltag gibt, in ganz kleinen Schritten, daß es aber auch viele Einzelkämpfer im Knast gibt, die auch kaum Kontakt nach draussen haben und manchmal auch gar nicht versuchen, ihren Protest nach draussen zu bringen, es gibt Hungerstreiks, aber es wird, wie schon von dir gesagt, wenig gemeinsam organisiert. Andererseits habe ich schon den Eindruck, daß einige Leute im Knast aufgeweckt und politisiert werden und da schon mal anfangen, sich zu wehren. Ist das auch dein Eindruck`?
W.: Das auf jeden Fall. Aber – nun kommt mal wieder das aber- es klingt etwas makaber, aber es sind zu wenig bewusste Leute in den Knästen, die auch dann das irgendwie aufgreifen können, Leute mitnehmen können, sagen können, komm, der Schritt ist schon mal gemacht, lass uns mit den weiteren Schritten das und das tun und draussen gibt es auch nicht so ein Echo, einen Widerhall , der indirekt durch Kontakte den Menschen drinnen Mut machen kann zu kämpfen.
B.: Jetzt müssen wir uns noch die Frage stellen, wie ist es mit der Zeit nach dem Knast. Warum machen, selbst wenn sie drinnen aktiv gewesen sind, so wenig draussen weiter sich gegen Knast und Repression in der Gesellschaft zu wehren.?
W.: Ja, weil der Knast noch nachzuspüren ist, ist ja keine Grippe, keine Krankheit gewesen, sondern Knast, egal wie lange du drinnen warst oder ich drinnen war, den spür ich mein Leben lang. Viele wollen halt den Knast vergessen und wollen halt dann sehen, wie sie wieder `gesund` werden – daß sie sich wieder einigermassen gut finden, sich wieder selbst spüren. Da aber der Knast dich ein Leben lang begleitet, müssten mensch eigentlich die Kämpfe weitermachen, weil der Knast ja nur ein Symbol ist für eine Gesellschaft oder ein bestimmtes Denken und Handeln in der Gesellschaft.
Meine Grundhaltung dabei ist, daß Knastarbeit vordererst im Knast gemacht werden muss, das heisst dann auch für mich, wenn ich in die Situation gerade, in den Knast zu kommen, dann werde ich auf jeden Fall versuchen, nicht gleich wieder raus zu wollen ( so wie es heutzutage die Linken machen), sondern versuchen die Zeit zu nutzen, die Ideen, die ich draussen mitentwickelt habe, dort fortzuführen, in praktischer Arbeit zusammenfassen zu können – so lange dies nicht passiert, heisst es, hier draussen zu schauen, wie kann ich das Thema Knast und damit auch das Thema Strafe und Alternativen dazu immer wieder in die Öffentlichkeit bringen und wie kann ich praktisch mit den Menschen, die in den Knästen sind, kommunizieren, ein bisschen Mut geben, Informationen bekommen.
B.: Ich habe aber ein Eindruck, daß viel Verzicht auf weitere Gegenwehr oder weiteres Öffentlichmachen von Knast damit zu tun hat, dass Mensch mit diesem Thema keine Anerkennung gewinnen kann, daß viel Scham dabei ist, daß mensch als Ex-Knacki stigmatisiert wird und daß deswegen vergleichsweise wenige sich das zum Thema machen und auch danach dagegen zu kämpfen.
W,: Das weiss ich nicht. Ich persönlich halte es da mit Oscar Wilde, der sinngemäss sagte: Ich liebe Menschen mit Vergangenheit, weil ich mich mit denen am besten unterhalten kann.
Die Stigmatisierung ist wohl nicht mehr so stark da. Ich glaube, daß Ausklammern des Themas hat sehr viel damit zu tun, daß das „Strafen wollen“ sehr stark noch vorhanden ist, auch in der linken Szene. Es gibt wenig Leute, jedenfalls die die ich kenne, die wirklich freiheitlich denken, die wirklich frei sein von Strafen oder bestrafen wollen, die einen bei den Nazis, dann wieder andere, die bestraft werden sollen, die haben alle noch soviel in ihrem Denken und ihrer Sprache drin, was Strafe betrifft. Ich glaube eher, daß diese alle den Knast auf die eine oder andere Weise akzeptieren.
B.: Ich meine jetzt aber nicht die Linken, sondern die Leute in Chorweiler, Vingst, Mülheim usw. die zum grossen Teil, weil sie soziale Probleme haben, eher vom Knast betroffen sind…
W.: Ah ja, aber diese Stigmatisierung kommt da eher von der Mittelschicht, ähnlich wie bei der Stigmatiserung von Hartz4 Bezieher*innen, so was wie Klassismus, kommt von einer bestimmten Gesellschaftsnorm, aber nicht von den Menschen in Vingst, Chorweiler und so selber.Diese Leute kennen grössenteils , haben ihre eigenen Knasterfahrungen, ob Tage oder Wochen, nur -das Thema bleibt für sich, bei den Angehörigen und Verwandten und wird nicht aufgegriffen als Aspekt eines Widerstands gegen die Gesellschaft
B.: Also eher ein Problem zwischen uns, also wir , die auf einer politischen Ebene gegen den Knast arbeiten, und den Leuten die die konkrete Erfahrung gemacht haben und nicht den Weg zu uns finden.
W.: Das ist meine Meinung, ja.
B.: Ich bin jetzt mit G.verbunden, der momentan nicht in Köln ist.
G.: Man muss natürlich ehrlicherweise sagen, daß Widerstand im Knast kein Massenphänomen ist. es gibt Einzelne, die sich wehren, im Optimalfall schliessen sich die einzelnen auch in Gruppen zusammen, machen gemeinsame Aktionen. Aber es ist leider so, daß ein Grossteil der Gefangenen den Knast über sich ergehen lässt. Um so bedauerlicher ist es, daß die Wenigen, die im Knast wirklich entschiedenen Widerstand leisten, daß es so gut oder so schlecht von diesen wenigen kaum einer schafft, diesen Widerstand nach dem Knast fortzusetzen.
B.: Na ja, wir hatten ja hier im Knastprojekt eigentlich immer oder fast immer auch Entlassene, die ne Zeitlang mitgemacht haben. Sie haben nicht lange durchgehalten aber immerhin..
G,: Ja, kurz nach der Entlassung schaffen noch einige, weiter zu machen, aber das Problem ist, daß die Menschen dann irgendwo und irgendwie in ihrem Scheissalltagsstrudel so abtauchen die ganzen nervigen Behördengänge und was da alles noch dazukommt. Sie haben dann nicht mehr die Kraft, draussen so was wie ne Knastarbeit zu machen.