Offener Brief aus dem Knast

Die Justizvollzugsanstalt Wien Josefstadt (und vermutlich auch vergleichbare Institutionen) ist voll von, der österreichische Staat würde sagen, nicht Österreicher_innen oder Ausländer_innen, wir würden sie eher als politisch Verfolgte und rassistisch Unterdrückte bezeichnen. Menschen, die in der elitären Gesellschaft Wiens / Österreichs / Europas nicht erwünscht sind. Die falsche Staatsbürger_innenschaft, zu wenig Kapital um der Wirtschaft nützlich zu sein, falsche Interessen, zu viel Karlsplatz.

Drogensucht ist anscheinend noch immer allein von den Betroffenen zu verantworten, (Selbst-)Vorwürfe und Verzweiflung werden hinter Gittern noch verstärkt.

Die letzte Hoffnung hängt an den Gutachter_innen die zwischen Therapie und Strafe – somit über die Zukunft der Angeklagten – entscheiden.

Selbst „Schuld" hier zu landen sind auch illegalisierte Österreicher_innen (Menschen, die in Österreich leben), deren Mangel an legalen Papieren sie zu Leben in Zwischenwelten zwingt. Sie können keiner legalen Lohnarbeit nachgehen, somit sind sie zu kriminalisierter Arbeit gezwungen.

Diese Tatsache löst einen Kreislauf aus – Zwangskriminalisierung – Haftstrafen – Verlust des Aufenthaltstitels – Abschiebung und endet oft im Überlebenskampf und/oder politischer Verfolgung in Gebieten die kontinuierlich vom kapitalistischen Europa und Nordamerika ausgebeutet wurden und werden.

Im Gefängnis sind wir aber alle gleich (illegalisierte Personen, sowie legalisierte Personen) wir sind nur Nummern, kriminelle Objekte die wie Mastvieh verwaltet werden. Fast alle zu einem selbstbestimmten Dasein nötigen Freiheiten werden uns genommen. Wir sind angewiesen auf die Solidarität zwischen unseren Gefangenenkolleg_innen, sehr oft aber noch mehr auf die Unterstützung von „draussen", wodurch Ungleichheiten auch innerhalb der Gefängnisse wieder bestätigt werden und durch z.B. die Vertretung vor Gericht festgeschrieben werden.

Wie es zu einem Urteil kommt, ist eine lange Geschichte (Äußerungen darüber können strafrechtlich verfolgt werden).

Trotz Dolmetscher_innen bei den Haftprüfungsverhandlungen bleiben Anklageschriften oftmals unübersetzt und die Möglichkeit auf deren Übersetzung werden nicht vermittelt. Die Situation der nicht gut deutsch sprechenden Gefangenen bleibt für sie untransparent, somit ist der Willkür der Justiz freien Lauf gelassen.

Teilweise vorgefertigte Beschlüsse von Haftprüfungsverhandlungen lassen vermuten, dass die Verhandlungen eine Farce sind.

Medizinische Behandlungen haben neben den üblichen Mitteln noch andere Gesichter wie Ignoranz, Aberkennung von Krankheit/Unwohlsein, vertauschten Medikamenten, überdosierten Substitutionsmitteln und viel Warten, bevorzugt in Räumen ohne Luftzufuhr. Das Ernährung zum Gesundheitszustand beiträgt ist hier nicht bekannt.

2010 gab es in der JVA Josefstadt bis Mitte Juli vier Selbstmorde. Die verantwortungslose Praxis der Justizbeamtinnen trägt oft rassistische Züge und verschärft die bereits schwierige Situation der Gefangenen.

Ein Gefangener tschetschenischer Staatsbürger_innenschaft verstarb am 16. Juli nachdem die Warnungen seiner Zellenkollegen* von den Beamten* verharmlost wurden. Er brachte sich um.

Menschenrechtsbeobachter_innen werden z.B. ausschließlich die wesentlich besser ausgestatteten Zellen der privilegierten Hausarbeiter_innen-Gefangenen gezeigt. Anstatt der üblich in Anspruch genommenen „Bodypacker"-Zellen werden andere „Vorzeigezellen" als diese präsentiert. „Bodypacker" Gefangene müssen in einer komplett verschlossenen Zelle mindestens 5-mal in einen Kübel scheißen (was manchmal Wochen dauern kann). Obwohl die Anzahl der Drogenkügelchen bereits per Röntgen festgestellt werden konnte.

Diese und viele andere Alltagspraxen möchte die Repressionsbehörde der JVA Josefstadt in Wien nicht der Öffentlichkeit und schon gar nicht den Menschenrechtsbeobachter_innen zumuten.

Das Leben im Gefängnis ist ein Angriff auf die psychische und physische Existenz des Menschen.

Gefängnisse können Menschen nicht verändern, zumindest nicht zum „besseren" Menschen, wieso gibt es sie dann noch?

Viele Personen könnten Unterstützung brauchen um verschiedensten Kreisläufen zu entkommen in denen sie selbst nicht sein wollen, in die sie einst geflohen sind (aus welchen Gründen auch immer). Sie brauchen keine Bestrafung oder Schuldzuweisung, sondern Respekt, Toleranz, Solidarität, Möglichkeiten und Liebe.

Anstatt dessen beschäftigt sich die Politik bevorzugt mit Disziplinierungsmaßnahmen (Bsp. elektronische Fußfessel, Monitoring) als mit Entwürfen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen, um für alle eine neue Basis zu schaffen.


Quelle: at.indymedia.org

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