Quelle: no-racism.net
Texte zur Rassismuskrise in Europa. Wir wollen mit den vorliegenden Seiten einen Beitrag zur aktuellen Auseinander- setzung zu den Themen Migration und soziale Gerechtigkeit leisten: einen inhaltlichen Beitrag. Denn immer wieder hören wir dieser Tage von den fehlenden Inhalten – vor allem im laufenden Wahlkampf.
:: Die Broschüre als PDF
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Editorial:
Keine Grenze – nie und nimmer
… denn die macht alles nur noch schlimmer
Mit dieser Broschüre begeben wir uns auf eine Reise durch die Zeit. Wir müssen dabei nicht weit zurückreisen, sondern richten unseren Blick auf die vergangenen 10 – 15 Jahre, mit Schwerpunkt auf die Zeit seit 2015, dem Jahr der großen Flüchtlings- und Migrationsbewegung, die Europa nachhaltig veränderte.
Die Bilder der Migration konnten nicht mehr ignoriert werden. Und auch die Maßnahmen rückten plötzlich in den Blick der Öffentlichkeit. Diese Bilder erzeugten sowohl Ablehnung als auch Zustimmung. Dass die Zustimmung zu restriktiven Abschottungsmaßnahmen anfangs klein war ist bekannt und wird durch den Umstand bezeugt, dass viele Menschen mit offenen Armen empfangen wurden. Das „Refugees Welcome“, „Flüchtlinge willkommen“ war plötzlich kein reiner Slogan mehr. Aus der Utopie wurde Realität.
Doch dann setzten viele Politiker_innen, unterstützt von Wirtschaftstreibenden, Medien und rassistischen wie faschistischen Gruppierungen, ihre Maschinerie in Gang. Das Ziel war die Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Das ist nichts neues, doch die Dimension nahm ein bisher nicht gekanntes Ausmaß an. Auf allen Kanälen startete eine massive rassistische Hetze, deren Ziel es scheint, Europa mehr und mehr in Richtung eines faschistoiden, autoritären Systems zu steuern. Die vorliegende Broschüre versteht sich als kleiner Baustein, dieser Entwicklung entgegen zu steuern.
Am Beginn steht ein Text, der namensgebend für diese Textsammlung war (siehe Seite 7). Er wurde am 30. August 2016 verfasst, ein Jahr nachdem sich viele Menschen zu Fuß in Richtung Zentraleuropa aufmachten. Wie auch der Rest der Texte hat er nichts an seiner Aktualität verloren. Deshalb war es nicht notwendig, die hier versammelten Texte zu verändern. Lediglich an einigen Stellen haben wir eine [Anmerkung in eckigen Klammern] gemacht. Die Texte sind nicht chronologisch geordnet, es wurde versucht, sie inhaltlich zu strukturieren.
Der erste Teil beginnt mit konkreten Lösungsansätzen und Handlungsanleitungen, nennen wir es: mit antirassistischer Arbeitspraxis. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang ein Verweis auf das globale Wirtschaftssystem und den nach wie vor gegebenen [Neo]Kolonialismus, der dazu führt, dass viele Menschen keine andere Möglichkeit sehen, als sich auf den Weg zu machen: aus der Perspektivlosigkeit in eine vermeintlich bessere Zukunft (siehe dazu „Na klar, ich würde einsteigen“ auf Seite 10). Doch was, wenn sie in Europa ankommen? Ein Anstoß zu einem Diskurs über diese Frage findet sich auf Seite 15.
Die Ankunft in Europa bedeutet noch lange keine Sicherheit, wie unter anderem die Situation von Geflüchteten aus Afghanistan zeigt: Überall in Europa kommt es derzeit zu Protesten gegen Abschiebungen in dieses nach wie vor sehr unsichere Land. Im zweiten Teil findet sich exemplarisch dafür die Erklärung der Teilnehmer_innen des 4-tägigen Protestcamp gegen Abschiebung im August 2017 in Wien (Seite 18). Mehr zu den Hintergründen zu Abschiebungen nach Afghanistan ab Seite 19.
Der Stop Deportation Comic vom Refugee Movement Berlin (oplatz.net) zieht sich als Illustration durch dieses Heft. Er gibt praktische Tipps zum Widerstand gegen Abschiebungen.
Der dritte Teil behandelt die Geschichte der Unterdrückung und das Aufziehen von Zäunen als Teil des Grenzregimes, aber auch den Widerstand dagegen. Im Fokus steht neben der Migrationsbewegung in den Jahren 2015/16 der Fluchtweg Mittelmeer. Auch hier werden konkrete Lösungsansätze aufgezeigt, wie die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Änderung der Migrationspolitik: Das Ende der Visaregime (Seite 25), die erst dazu führen, dass Menschen heimliche – und gefährliche – Wege gehen müssen. Oder die Forderung, Flüchtlinge und Migrant_innen mit Fähren von Nordafrika nach Europa zu bringen – um das Sterben im Meer zu beenden (Seite 31).
Viele sind aufgrund der der errichteten Barrieren auf Hilfe angewiesen. Texte zum Diskurs um Fluchthilfe, der untrennbar verbunden ist mit Hetze, Verdrehungen und angeblichen Bedrohungen, finden sich ab Seite 33.
Der vierte Teil handelt von der Rassismuskrise in Europa und dem damit zusammenhängenden Spiel mit der Angst (ab Seite 41): Wenn wir von einer Rassismuskrise sprechen, dann bedeutet dies nicht, dass der Rassismus in einer Krise steckt, vielmehr geht es darum, dass der Rassismus Ursache ist für eine Krise von Solidarität, Gerechtigkeit und Fairness in der Gesellschaft.
Darauf geht der fünfte Teil dieser Textsammlung näher ein und beschäftigt sich mit der sozialen Frage im Wahlkampf. In dieser Zeit kommen die Positionen, die viele Politiker_ innen seit Jahren vertreten, deutlicher zum Vorschein – trotz aller Lügen. Um die Menschen gegeneinander aufzuhetzen, wird mehr und mehr auf Rassismus gesetzt. Damit soll die brennende soziale Frage von den eigentlichen Problemen ablenken: Dem zunehmenden Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich. Nach zwei Texten zum laufenden Wahlkampf in Österreich (ab Seite 53), findet sich zum Abschluss eine Artikelreihe zum Rassismus der ‚Groß‘-Parteien, die im Mai 2016 verfasst wurde (ab Seite 56). Auch hier zeigt die Lektüre der Beiträge, dass sich an den grundsätzlichen Positionen seither nicht viel verändert hat.
Wir wollen mit den vorliegenden Seiten einen Beitrag zur Auseinandersetzung zu den Themen Migration und soziale Gerechtigkeit leisten: einen inhaltlichen Beitrag, der dabei hilft, den Blick zu schärfen für mögliche Handlungsoptionen. Damit die am Horizont aufziehenden kalten Zeiten und damit verbundene Winterdepressionen leichter überwindbar werden.
Welche_r damit nicht genug hat: Wir konnten nur ein paar der auf no-racism. net erschienen Texte in dieser Broschüre unterbringen. Im Internet findet ihr mehr davon. Einen Einblick in die Themenbreite von no-racism.net findet ihr auf Seite 5 und 6.
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no-racism.net, Oktober 2017