Folgender Text wurde auch im Jänner-Rapidité veröffentlicht und ist gültig für Österreich.
[Stand Jänner 2018]
Schon lange bevor etwas passiert, macht es Sinn sich mit Repression auseinander zu setzen. Überlegt euch also als Politgruppe, Freund_innen, WG… schon im Vorhinein, wie ihr mit solchen Situationen umgehen wollt, wer als Vertrauenspersonen bei einer allfälligen Hausdurchsuchung in Frage kommt, ob ihr mehr Menschen mobilisieren wollt, die vor eurem Haus stehen und euch akustisch beistehen könnten, was euch in dieser doch sehr speziellen Situation stressen wird, wovor ihr Angst habt usw.
Beschriftet in Wgs, Hausprojekten… eure Zimmer mit eurem vollen Namen, verschlüsselt eure Computer und kommuniziert sicher. Beschäftigt euch allgemein mit Antirepressionsarbeit und macht euch mit dem Konzept der Aussageverweigerung vertraut.
Wenn die Polizei vor der Türe steht, dann ist es erstmal sinnvoll, nicht die Nerven zu verlieren, sondern versuchen ruhig zu bleiben und keine Panik zu kriegen. Denn wenn die Cops klopfen oder klingeln und nicht gleich die Türe aufbrechen und in voller Montur und gezogenen Puffn hereinstürmen, dann kann mensch davon ausgehen, dass ca. 3-6 Kripo-Beamt_innen zur Durchsuchung erscheinen und sich zumindest ansatzweise im Sinne der gesetzlichen Vorgaben korrekt verhalten.
Sind die Cops vor der Tür, um euch mitzuteilen, dass ihr z.B. die Musik leiser drehen sollt oder weil sie dir einen behördlichen Brief zustellen wollen, dann dürfen sie die Wohnung/das Haus nicht betreten.
Um die Betroffenen zu überraschen bzw. sie in ihrer Wohnung/Haus anzutreffen, ist es üblich, frühmorgens gegen 4 oder 5 Uhr mit einer Hausdurchsuchung zu beginnen.
Du musst nicht sofort die Haustür öffnen, sondern hast einige Minuten Zeit dich anzukleiden, Freund_innen telefonisch Bescheid zu sagen und die Mitbewohnis zu wecken (Richtwert max. ca. 10 Minuten). Bevor du die Cops hereinlässt: Lass dir den schriftlichen und auf bestimmten Gründen beruhenden Hausdurchsuchungsbefehl zeigen, der gegen konkrete Personen gerichtet sein muss. Die Staatsanwaltschaft ordnet aufgrund einer richterlichen Bewilligung die Hausdurchsuchung offiziell an. Achte auf den amtlichen Briefkopf des Schreibens und von welcher Staatsanwaltschaft es ausgestellt wurde.
Ist das nicht der Fall bzw. haben sie keinen Hausdurchsuchungsbefehl, so musst du sie nur in die Wohnung lassen, wenn die Polizist_innen mit “Gefahr in Verzug” argumentieren. “Gefahr in Verzug” bedeutet z.B., dass bis zur Einholung der staatsanwaltlichen Anordnung die verdächtige Person Zeit hätte, Beweismittel zu vernichten. Spätestens nach 24 Stunden muss dir dann ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl zugestellt werden. Es gibt dann noch eine “fremdenrechtliche” Bestimmung, die es relativ einfach möglich macht, einen Wohnraum ohne Durchsuchungsbeschluss zu betreten: Wird argumentiert, dass eine Person ohne gültigen Aufenthaltstitel in der Wohnung ist, darf die Polizei ohne Bewilligung von sich aus in privaten Räumen nach dieser Person suchen.
Welche Gründe sind zulässig für eine Hausdurchsuchung?
Einerseits das Sicherstellen von Spuren einer Straftat (wie z.B. Bekenner_innenschreiben auf PCs, Waffen usw.) und andererseits das Auffinden einer Person, die verdächtigt wird eine Straftat begangen zu haben. Ein Hausdurchsuchungsbefehl muss daher klar auflisten, was konkret gesucht wird. Ist das nicht ersichtlich, ist es rechtlich nicht zulässig. In dem Moment, wo die Hausdurchsuchung auf jurisitisch wackeligen Beinen steht, kannst du dich jedoch nicht dagegen wehren. Nur im Nachhinein hast du eine (zugegeben fragwürdige) Beschwerdemöglichkeit.
Du hast das Recht die ganze Zeit bei der Durchsuchung anwesend zu sein und kannst auch verlangen, dass nur ein Zimmer nach dem anderen durchsucht wird, damit du jeweils dabei sein kannst. Wenn du in einer WG wohnst, dann dürfen nur deine persönlichen Zimmer sowie die Gemeinschaftsräume durchsucht werden (außer sie können einen Durchsuchungsbefehl für die gesamte WG vorweisen).
Namensschilder an den Zimmertüren machen in WGs insofern Sinn, als dass nicht so einfach alles durchsucht werden kann, wenn sich der Hausdurchsuchungsbefehl nur gegen eine bestimmte Person in der WG richtet. In der Vergangenheit hat dies zwar nicht immer funktioniert, aber ein Versuch ist es trotzdem wert. Genauso verhält es sich auch in einer Bürogemeinschaft oder am Arbeitsplatz.
Wenn du alleine wohnst, ist es sinnvoll, Genoss_innen anzurufen und sie am Telefon alles mithören zu lassen oder eine Vertrauensperson zu bitten zu dir zu kommen. Letzteres ist auch gesetzlich verankert.
Da dein Smartphone in der Regel allerdings das am belastenste Beweismittel gegen dich darstellt, macht es Sinn, dieses sofort auszuschalten, die Sim-Karte zu vernichten und das Handy auf Werkeinstellungen zurückzusetzen. Auch den PC ganz runterfahren macht sehr viel Sinn.
Checkliste Polizei VOR Tür:
+ Die Polizei nicht sofort reinlassen. Versuche sie abzuwimmeln: Was wollen sie? Was/wen suchen sie? WelchenVerdacht haben sie und wie begründen sie ihn?
+ Wo ist der Hausdurchsuchungsbefehl?
+ Versuche eine Person aufzutreiben, die schnell zu dir kommen kann.
+ Benachrichtige Freund_innen, Genoss_innen…
+ Schalte danach sofort dein Handy aus.
+ Schalte deinen Computer vollständig aus.
Prinzipiell musst du vor der Durchsuchung von den anwesenden Beamt_innen zuerst verhört werden, damit du die Gegenstände, die sie suchen, „freiwillig“ herausgeben kannst. Dass danach dennoch in eurer Privatsphäre herumgeschnüffelt wird, kann kaum verhindert werden. In der Regel wirst du auch am Körper durchsucht werden.
Die Durchsuchung einer Person muss immer von einer Person des gleichen Geschlechtes vorgenommen werden und laut Gesetz die Würde der zu untersuchenden Person gewahrt werden.
Die Bull_innen sollten laut Gesetz respektvoll vorgehen und dürfen nicht rücksichtslos alles auf den Kopf stellen, obwohl es in der Praxis meist anders gehandhabt wird. Zu glauben, dass es in einem Haus einen sicheren Ort gibt, wo sie nicht nachschauen werden, ist naiv. Die Beamt_innen sind speziell geschult und wühlen tatsächlich in Blumenerde, Teemischungen oder Spülkästen. Fordert ein, dass die Cops achtsam mit euren Sachen umgehen und persönliche Gegenstände respektvoll behandeln.
Die Beamt_innen haben während einer Hausdurchsuchung das Recht, alle Räume und Behältnisse auf Verlangen öffnen zu lassen (z.B. Tresor) und die darin aufbewahrten Gegenstände zu begutachten.
Während der Hausdurchsuchung kannst du versuchen das polizeiliche Vorgehen zu dokumentieren, z.B. mit Ton- oder Videoaufnahmen. Erfahrungsgemäß haben das Cops nicht sonderlich gern, rechne also mit deren Widerstand.
Die Beamt_innen werden versuchen mit dir zu quatschen, lass dich auf keinerlei Gespräche ein, alles was du sagst kann bzw. wird gegen dich verwendet werden. Führt auch keine scheinbar harmlosen Gespräche über Wetter oder Uni. Das Recht auf Aussageverweigerung gilt auch bei der Hausdurchsuchung in den eigenen vier Wänden.
Checkliste Polizei IM Haus:
+ Lass eine Vertrauensperson am Telefon die Amtshandlung mithören, wenn du allein bist oder bitte eine vertrauenswürdige Nachbar_in zu dir.
+ Nur ein Zimmer nach dem anderen.
+ Verweigert die Aussage.
+ Wurde ein Protokoll erstellt? Was steht alles drin?
Wenn die Cops fertig sind (die Hausdurchsuchung kann sich über Stunden ziehen), erstellen sie ein Protokoll, auf welchem alle Dinge vermerkt werden, die sie für verdächtig erachten und mitnehmen. Bestehe darauf, dass wirklich alles, was sie mitnehmen, in diesem Protokoll vorkommt und unterschreibe nur, wenn du sicher bist, dass es vollständig ist. Sollte nichts gefunden werden, dann kannst du auch diese Tatsache unterschreiben. Prinzipiell muss man gar nichts unterschreiben. Die Unterschrift dient lediglich der Bestätigung über die beschlagnahmten Sachen und wenn du allen überflüssigen Platz, welcher noch am Protokoll ist, streichst, kann nichts mehr eingefügt werden, was dich belasten könnte.
Wenn alles vorbei ist und die Staatsgewalt deine Wohnung verlassen hast, dann schreib ein Gedächnisprotokoll und lass dich von Menschen deines Vertrauens juristisch beraten. Eine Hausdurchsuchung kann ganz schön belastend sein. Versuch also nicht allein damit klar zu kommen, rede mit Freund_innen, Genoss_innen, lasst euch nicht fertig machen.
Getroffen hat es manche, gemeint sind wir alle.
Lasst uns schwierige Zeiten gemeinsam durchstehen.