Quelle: freedom for thomas
Kürzlich berichtete ich über den Tod einer ehemaligen Gefängnispsychologin https://freedomforthomas.wordpress.com/2018/04/19/susanne-preusker-hat-s… . Da es zu kritischen Rückmeldungen kam, diese Ergänzung zu meinem Beitrag vo April 2018. Der Text sei missverständlich für Menschen die mich nicht kennen würden, hieß es; insbesondere könne man ihn so lesen, als würde ich klammheimliche Freude über die Vergewaltigung oder den Suizid der ehemaligen Gefängnispsychologin empfinden.
Spontanes Mitfühlen
Wir greifen im Mitfühlen über uns selbst hinaus; bei echtem Mitfühlen nehmen wir An-teil. Geht es um Leid, so nimmt jemand der mitfühlt, das Leid des ursprünglich Betroffenen mit sich auf. Dieses Anteilnehmen beruht auf einem urmenschlichen Phänomen.
Mich hat seinerzeit das Leid das Frau Preusker erfahren musste, berührt, mitfühlen lassen, wie nun auch ihr Suizid. Wie ich schon im April geschrieben hatte, kein Mensch sollte jemals erleben was sie erleben musste.
Die Frage ist nun, verweigern wir uns, verweigere ich mich, diesem Urphänomen des Mitfühlens, weil die Person um die es geht, eine (ehemalige) Vollzugsbedienstete ist?
Über die Menschlichkeit in der politischen Auseinandersetzung
Vor einiger Zeit gab es in der Zeitschrift der Rote Hilfe e.V. eine Debatte über die Verwendung der Zeichenfolge ‚ACAB‘; erörtert wurden die Argumente die für die Verwendung dieser Zeichenkette sprechen, wie auch die Gegenargumente. Diese Diskussion weist auf ein Thema hin, um die es auch in vorliegendem Zusammenhang geht: das nach dem Einfühlen in das Gegenüber, selbst wenn es sich dabei um den/die politischen Gegner/in handelt, für die Repressionsbehörden arbeitet oder gearbeitet hat. Für manche mutet es widersprüchlich an, gerade für Menschen Mitgefühl zu empfinden, die doch unsere Gegner/innen sind.
Widerspruchsfreiheit ist jedoch, auch wenn sich viele darum bemühen, in keinem von uns gegeben; und die Widersprüche sind auch nicht etwa bloße Nebensache, sie sind auch nicht zu vernachlässigen oder gar zu eliminieren, denn ein kreatives und buntes Leben bedeutet zwangsläufig, Widersprüche ernst zu nehmen, sie auch bewusst zu wählen, sich zu ihnen zu bekennen.
Hierzu gehört meines Erachtens dann auch Mitgefühl für eine Frau, die Opfer schwerster sexueller Übergriffe wurde und sich möglicherweise mitursächlich durch diese Übergriffe bedingt, Jahre später das Leben nimmt. Dass sie im Gefängnis Teil der Repressionsmaschinerie war, darf auf dieser menschlichen Ebene keine Rolle mehr spielen.
Wenn wir für eine Veränderung der Verhältnisse kämpfen, von der Idee ausgehend das Gleich-Sein im Anders-Sein anzuerkennen, also die Gleichsetzung in der Gattung Mensch, ist es wichtig sich berühren zu lassen. Das bedeutet nicht, dass wir menschenfeindliche Ideologien und auch ihre VertreterInnen nicht mehr bekämpfen dürfen. Ganz und gar nicht. Aber wir sollten uns die Menschlichkeit bewahren, die Verletzungen eines Menschen zu sehen und berühren zu lassen.
Wenn wir dazu nicht mehr bereit wären, dann hätten wir schon verloren.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str.8, D-79104 Freiburg
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