Quelle: indymedia
Bericht über eine Soliaktion in Wien am 11.10.18 für die Kämpfe rund um den Hambacherforst und die Verbindung zum Kampf um die Hainburger Au im Jahre 1984. Inkl. Verlauf und Kommentar zur Praxis von Verweigerung der Personen- und Identitätsbezogenen Daten und Nicht-Kooperation mit der Polizei.
Am frühen Morgen des 11.10.18 wurde im Rahmen einer Kletteraktion ein Transparent gehisst mit der Aufschrift: „HAINBURG BLIEB, HAMBACHER FORST BLEIBT! Militanter kollektiver Widerstand wirkt! Gegen Kapitalismus, Polizeirepression, RWE & Co.“
Mit einer Länge von 15m hing es auf 6m Höhe auf 2 Laternenmasten,über drei Fahrbahnen auf der Ausstellungsstraße zwischen Prater und der Ubahn-Station Praterstern.
Ziel der Aktion war es, sich an internationalen Solidaritätsaktionen mit den Kämpfen rund um den Hambacher Forst zu beteiligen. Und mit der Sichtbarmachung der Verbindung zur erfolgreichen Erkämpfung der Hainburger Au in den 1980er Jahren unweit von Wien, all jene zu ermutigen und zu bestärken, die sich für den Erhalt des Hambacher Forstes und den Umsturz der bestehenden Verhältnisse einsetzen.
Der Hambacher Forst ist ein 10.000 Jahre alter Wald in der Nähe von Köln. Er ist einerseits erhaltenswert, aufgrund seiner ökologischen Vielfalt und seiner Funktion als Lebensraum von bedrohten Arten, andererseits dient er als Symbol des Kampfes gegen Verdrängung und Zerstörung aufgrund von Kapitalinteressen und Politik. Aktuell ist nur mehr ein Bruchteil seiner ursprünglichen Größe übrig, weil er dem Tagebau, zur klimafeindlichen Gewinnung von Braunkohle, zur Energieproduktion weichen musste. Dagegen wehren sich seit 6 Jahren, Besetzer*innen in Baumhäusern, verschiedene Initiativen und ein breites Netzwerk von Anrainer*innen und internationalen Aktivist*innen. Die Strukturen die dort geschaffen wurden, waren nicht nur ein Ausdruck des Widerstands gegen den Stromkonzern und Tagebaubetreiber RWE, sondern auch Ausdruck von umfangreicher Gesellschaftskritik und ein Experimentkollektiver emanzipatorischer Lebensformen. Seit September 2018 wurden Baumhäuser geräumt und zerstört, Teile des Waldes gerodet. Doch auch der Widerstand dagegen war so groß und breit wie noch nie zu vor. Im Laufe der Geschichte des Widerstands fanden unzählige vielfältige Aktionen statt. Von militanten Aktionen zur Zerstörung von RWE Infrastrukturen bis hin zu Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams mit bis zu 50.000 Menschen.
In der Hainburger Au, einem Waldgebiet in der Nähe von Wien konnte im Jahr 1984/85 der Bau eines Kraftwerks verhindert werden, auf einer Fläche die mittlerweile zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Menschen demonstrierten und besetzten damals die Au, verhinderten Rodungen und Räumungen, wehrten sich erfolgreich gegen prügelnde Polizisten, bauten solidarische Strukturen zwischen Besetzenden und Anrainer*innen auf und erschufen eine sozial-ökologische Bewegung im konservativen Österreich. Dieses historische Beispiel und der aktuelle Rodungsstop im Hambacher Forst, sind Zeichen für die Wirksamkeit von kollektivem und militantem Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse und das repressive Bestehende.
Again,
Hambacher Fosrt bleibt!
Militanter kollektiver Widerstand wirkt!
Gegen Kapitalismus, Polizeirepression, RWE & Co
Es folgt ein ausführlicher Bericht der Transpikletter-Aktion am 11.10.18.
Um somit die Zugänglichkeit der Aktion darzustellen, und die Machbarkeit der Praxis aufzuzeigen, von Verweigerung der Personen- und Identitätsbezogenen Daten und Nicht-Kooperation mit der Polizei.
HAINBURG BLIEB, HAMBACHER FORST BLEIBT!
Militanter kollektiver Widerstand wirkt!
Gegen Kapitalismus, Polizeirepression, RWE & Co.
Treffpunkt mit der gesamten Organisationscrew war um 5:30 auf der Kaiserwiese um letzte Details zu besprechen. Um 6:15 startete die Aktion. Das Hinaufklettern auf 6m Höhe hat super funktioniert, und auch die Seilübergabe am Boden von einer* Supportperson die das Verbindungsseil überreichte. Es war recht dunkel und vielen Leuten sind wir garnicht aufgefallen. Das Transparent wurde bereits von einer Person im Rucksack mitgeführt und durch das Heranziehen mit dem Verbindungsseil langsam ausgerollt und an beiden Seiten an den Laternen befestigt – alles bereits auf 6m Höhe, ungestört von PolizeibeamtInnen.
Als das Transparent um 6:30 ausgerollt war, ist nach und nach mehr Polizei gekommen. Cirka 2 Pkw’s, 2 Wannen und ein Motorrad, mind. 7 PolizistInnen. Sobald wir wieder hinunter geklettert sind und unten waren, haben uns jeweils 2 Polizisten an den Armen gepackt, zur Wanne geleitet und uns mit dem Gesicht dagegen gedrückt. Wir wurden durchsucht und nach unseren Personalien gefragt, worauf wir mitteilten dass wir darüber keine Auskunft geben werden. An dieser Stelle haben sie uns unsere Messer abgenommen, welche wir benutzten um Seile abzuschneiden. Zu Fuß wurden wir mit jeweils 2 PolizistInnen die unsere ausgestreckten Arme gehalten haben, abgeführt und zur Polizeistation in der Lassallestraße gebracht. Dort mussten wir im Eingangsbereich Platz nehmen, sie haben uns noch einmal genauer durchsucht, wir mussten die Klettergurte und Teile der Kleidung ausziehen. Ein Polizist bewachte den Ausgang, er war uns gegenüber respektvoll aber skeptisch gestimmt.
Wir hatten Blickkontakt zu einander und uns immer wieder gefragt wie es der jeweils anderen Person geht, um uns über unser Befinden und unsere Bedürfnisse auszutauschen. Die Kommunikation zwischen uns und der Polizei war sehr beschränkt, Fragen ihrerseits haben wir ignoriert. Darunter waren Klassiker wie, „Warum macht ihr das? Macht ihr das öfter? Geht ihr auch auf diese und jene Demo? Ist euch schon eingefallen wie ihr heißt?“ Die üblichen Kommentare a la „Wir lassen euch nicht gehen bis wir eure Identität haben und uns ist es egal wie lange es dauert, weil wir werden dafür bezahlt und ihr nicht“. Unsere Kommunikation mit den BeamtInnen beschränkte sich auf folgende Fragen und Forderungen: „Warum werden wir angehalten? Was ist die rechtliche Grundlage dafür festgenommen und angehalten zu werden? Was ist die genaue Nummer der Paragraphen aus welchen Gesetzen?“ Und die Einforderung von Toilettengängen, Wasser und einem Anruf mit bspw. einem*einer Rechtsbeiständ*in. Diese Forderungen konnten wir auch durchsetzen, in der Polizeistation Lassallestraße haben wir eine unterstützende Person angerufen, auf ein Handy welches auf keine Person rückführbar ist, und haben über unseren Aufenthaltsort, darüber was uns vorgeworfen wird, inkl. Nummern der Paragraphen, wie wir von den BeamtInnen behandelt werden und wie’s uns geht, berichtet. Vereinzelt kamen spöttische, herablassende Kommentare von Seiten der PolizistInnen, in diesem Fall wanden wir die Strategie an, Dinge nicht unkommentiert zu lassen aber trotzdem tendenziell deeskalierend zu wirken. Im Allgemeinen wurde aber sehr viel garnicht von uns kommentiert und vorrangig wenig gesprochen, um ihnen keinerlei Informationen zu liefern und der Polizei das Gefühl der Unbeschwertheit bzw. der Machtposition auf Seiten der Aktivistis zu vermitteln.
Insgesamt war es uns wichtig ein ausgewogenes Maß an Widerständigkeit, Nicht-Kooperation, Kooperation und Kommunikation herzustellen um die Möglichkeiten von selbstbestimmtem Agieren innerhalb des gebotenen Rahmens, einer Verhaftung aufgrund einer Verwaltungsstrafe, möglichst weit auszuloten, und gleichzeitig keinen gesetzlich legitimierten Anlass zu bieten die Repression zu intensivieren. Beispiele dafür wären, das Verweigern der Mitteilung von Personen- und Identitätsbezogenen Daten, wie Name, Geburtstag, Meldeadresse, aber sich nicht körperlich gegen eine Verhaftung zu wehren um nicht den Vorwurf von Widerstand gegen die Staatsgewalt, welcher sich im Strafrecht befindet, zu riskieren. Oder, der Aufforderung danach sich für ein Foto des Gesichts an eine weiße Wand zu stellen nachzukommen, aber während des Fotos die Hände vor das Gesicht halten oder eine Grimasse zu machen. Außerdem war unser Gesicht geschminkt, mit weißer Farbe um Konturen wie Augenbrauen zu verdecken. Zusätzlich war es mit 3 bunten, geometrischen Formen bemalt um Gesichtserkennungssoftware (zumindest in der Theorie) unanwendbar zu machen.
Um cirka 9:30 wurden wir per Gefangenentransport in die Polizeistation Pappenheimgasse überstellt. Lustiges Detail am Rande, die Kommunikation zwischen den Stationen und PolizistInnen funktioniert anscheinend sehr dilletant, der Gefangenentransport hatte längst die Station in der Lassallestraße erreicht während sich in der Station die BeamtInnen darüber beschwerten, wie lange jener braucht um herzukommen. Das Fahrzeug verfügt über 4 Zellen, 2 sehr kleine Einzelzellen und eine etwas größere mit gegenüberliegenden Sitzgelegenheiten für mehrere Personen. Unbekümmerterweise wurde die erste festgenommene Person in die größere Zelle gebracht, der Kommentar eines Beamten: „Was? Du setzt die zusammen? Das sind Komplizinnen! Die kannst du nicht zusammensetzen!“ Die Antwort: „Was? Es sind 2? Das hat mir niemand mitgeteilt!“ Daraufhin in den kleinen Einzelzellen verstaut, ließen wir es uns trotzdem nicht nehmen miteinander zu kommunizieren um weiterhin Solidarität und Zusammenhalt anzuwenden und sichtbar zu machen – was den Einsatzleiter äußerst aufregte.
In der Polizeistation Pappenheimgasse, das gleiche Spiel. Fragen von Seiten des Polizeibeamten, nach Daten. Die Antworten darauf beschränkten sich auf: „Ich verweigere die Aussage, werde keine Angabe zu Daten machen. Sie können mich nicht ewig festhalten aufgrund des vorgeworfenen Delikts. Ich bleibe bei meinen vorangegangenen Ausführungen und mache keine weiteren Angaben.“ Daraufhin folgte der übliche Versuch der Einschüchterung: „Wenn du jetzt nichts sagst, dann stecken wir dich in Untersuchungshaft, mir ist das egal, ich habe Zeit und du bleibst in der Zelle eingesperrt. Wir nehmen deine Fingerabdrücke.“, etc. An dieser Stelle war es wichtig sich nicht einschüchtern zu lassen und darauf zu bestehen dass es nicht im gesetzlichen Rahmen wäre bei einer Verwaltungsstrafe Fingerabdrücke zu nehmen und weiterhin auf dem Gebrauch von Rechten zu beharren. Beim Anruf aus der Pappenheimgasse an eine unterstützende Person, wurde unter anderem mitgeteilt, dass der Beamte mit rechtswidrigen Methoden droht, woraufhin jener damit aufhörte und auch die zweite Person in eine Zelle steckte. Die Zellen selbst, waren klassische Ausnüchterungszellen, rechteckig, cirka 12 m² groß, ohne Sanitäranlagen, statt einem Bett ein Betonklotz, eine dünne plastiküberzogene Matte und 2 raue Decken. Etwas unbequem aber aushaltbar, da wir uns bereits im Vorhinein darauf eingestellt hatten, und über Ängste und Bewältigungsstragien gesprochen haben. Wie bspw. dem Versuch aus den Zellen miteinander zu kommunizieren, darin herumzuhüpfen, zu singen, oder es sich einfach gemütlich zu machen und zu schlafen.
Um Cirka 11 Uhr öffneten sich die Zellentüren, wir wurden aufgefordert die Decken zusammenzulegen und unsere vor der Zelle abgestellten Schuhe mitzunehmen. An dieser Stelle gibt es wieder die Möglichkeit zu fragen was mit einem*einer gemacht werde und im Falle einer Fingerabdrucknahme nicht aus der Zelle zu gehen, Hände zu Fäusten zu ballen und sich darauf zu setzen. Im beschriebenen Fall war der Anlass jedoch, unsere Freilassung und die Übergabe all unsere mitgeführten Dinge, Klettergurte, Bandschlingen, Seile, Warnwesten, Perücken. Bis auf 2 Taschenmesser, um Seile abzuschneiden, welche uns bereits in der Lassallestraße abgenommen wurden, bekamen wir alles zurück – unsere Taschenmesser werden uns von solidarischen Strukturen ersetzt.
Während der gesamten Aktion waren „im Hintergrund“ weitere Menschen aktiv ohne jene die Aktion nicht erfolgreich durchgeführt werden hätte können. Am Handy, um mit uns zu kommunizieren, vor dem Computer um jene Informationen mit der Öffentlichkeit zu teilen, auf dem Weg zu den Polizeistationen um uns in Empfang zu nehmen und in der Küche um uns ein warmes Essen zuzubereiten und den Bedarf an Herzlichkeit wieder zu decken. Hinter dieser Aktion steckt keine NGO oder politische Gruppe mit großem Kapital in den sozialen Medien. Der Fokus lag nicht auf der Generierung von Reichweite und Klicks, sondern darauf, historische Verbindungen zu erfolgreichen Kämpfen wie dem Kampf um die Hainburger Au darzustellen und ein solidarisches Zeichen an den Hambacher Forst zu senden. Um radikale Kritik an dieser Gesellschaft und den herrschenden Verhältnissen sichtbar zu machen, und letztendlich für einen kurzen Moment in Konflikt mit dem Gewaltmonopol zu treten, und bestärkt daraus rauszugehen.
Am Ende bleibt für uns eine empowernde Erfahrung, widerständig und handlungsfähig gegenüber dem Gewaltmonopol sein zu können. Wenn wir unsere Handlungen auf feministische und emanzipatorische Herangehensweisen stützen. Wir uns im Vorhinein mit den Rahmenbedingungen auseinandersetzen, Strategien entwickeln, solidarische, unterstützende Strukturen schaffen, darüber und über Ängste sprechen, anstatt auf Himmelfahrtskommando-Mackerhabitus mit der Intention nach Selbstprofilierung und heroischer Nachbehandlung, an Aktionen heranzugehen. Transparenterweise müssen wir darauf hinweisen, dass wir aus einer priviligierten Position sprechen und unsere Lebensumstände und Realitäten einen solchen Umgang zulassen. Wir plädieren zwar für eine Praxis von Verweigerung der Personen- und Identitätsbezogenen Daten und Nicht-Kooperation mit der Polizei, sind uns aber deren Gefahren und Schwierigkeiten bewusst und sehen diesen Text primär als Anregung für weitere Diskussionen darum. Ebenfalls ist uns bewusst, dass eine Aktion dieser Art, keine großen gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführen wird, sondern primär eine symbolische Gäste der Solidarität mit den Kämpfen im Hambacher Forst ist. Im Idealfall jedoch schaffen wir es, uns zu stärken und als emanzipatorische Bewegung unsere Analysen und Praxen weiterzuentwickeln und zu schärfen, um dem Projekt der befreiten Gesellschaft näher zu kommen.