Quelle: united we stand
Es wurde ein Sachverständiger zum Thema „Schwarzer Block“ vernommen (Politikwissenschaftler an der Uni Bremen und zugl. „Protestforscher“). Er ist Mitherausgeber der Schrift „Eskalation – Dynamiken der Gewalt im Kontext der G20-Proteste in Hamburg 2017“.
Zunächst legte er die Geschichte des Begriffs „Schwarzer Block“ kurz dar (Selbstbezeichnung autonomer Gruppen 1980/81 im Rahmen der Startbahn West – Proteste oder „Erfindung“ der Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung derselben). Beim “Schwarzen Block” handele es sich nicht um eine (konkrete) Gruppierung o. Ä.
Vielmehr sei es eine Demo-Taktik zur Vermeidung von Identifizierung und als Symbol der Militanz. Das Symbol der Militanz grenzte er sehr genau von tatsächlicher Gewalt ab, weil das Symbol der Militanz in aller Regel gerade nicht mit in Taten umgesetzter Militanz einhergehe. In Göttingen habe es bei der Antifa mal eine Gruppe gegeben, die mit Helmen vermummt als Schwarzer Block angetreten sei, aber in Absprache mit der Polizei auf tatsächliche Gewalt verzichtet habe. Letztlich sei es symbolische Kommunikation von Geschlossenheit und Entschlossenheit.
Die “Schwarzer Block”- Taktik werde mittlerweile auch von Personen unterschiedlicher politischer Spektren praktisch identisch genutzt.
Aus dem gemeinsamen Auftreten als Schwarzer Block könne nicht geschlossen werden, dass es zuvor irgendeine Art von Verabredung gegeben habe. In aller Regel seien es antihierarchische „Zusammenschlüsse“, bei denen Kleingruppen von drei bis zehn Personen relativ autonom agieren würden. Im Rahmen allgemeinerer Vorabsprachen zwischen verschiedenen Akteur*innen gebe es gegebenenfalls Konsenslösungen, die sich soweit verständigen würden, dass sich verschiedene teilnehmende Protestformen nicht gegenseitig beschränken würden. Würden Protestformen praktiziert, die nicht von einem (mehr oder weniger) allgemeinen Konsens getragen würden, würde das danach in der Regel zu heftigen Diskussionen führen. Das sei auf öffentlich zugänglichen Plattformen auch hinsichtlich des G20-Gipfels und der Elbchaussee zu beobachten gewesen. Er gehe davon aus, dass die Geschehnisse in der Elbchaussee für alle – nicht nur die Polizei – nicht vorhersehbar gewesen seien. Auch die einzelnen Teilnehmer oder Kleingruppen, die sich dem Protest angeschlossen hätten, hätten sicher nicht gewusst, was da im Einzelnen passiert. Es gebe einen sehr weitgehenden Konsens, dass unbeteiligte Personen bei Protesten nicht zu Schaden kommen dürften. Polizeibeamt*innen seien keine Unbeteiligten in diesem Sinne, weil sie als Repräsentanten des Staats „das Gegenüber“ darstellen würden.
Außerdem trat er noch der (staatsanwaltschaftlichen) These entgegen, dass andere europäische Szenen potenziell gewaltbereiter seien als die deutsche. Die Zusammenhänge würden sich allenfalls durch ihre Entstehungsgeschichte und -bedingungen unterscheiden, nicht aber in ihrer grundsätzlichen Haltung. Auch im (europäischen) Ausland gebe es durchaus kreative und andere Protestformen, die beispielhaft in ganz Europa seien.
Letztlich gab er dem Gericht noch mit auf den Weg, dass er zwar seinerzeit im Morgenmagazin gesagt habe, dass das alles sehr außergewöhnlich gewesen sei. Heute würde er das aber so nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr stehe es in einer gewissen Tradition der Gipfelproteste, die sich regelmäßig durch eine Vielzahl unterschiedlicher, auch überraschender Aktionsformen auszeichnen würden. Für Hamburg müsse man sicher auch beachten, dass der Gipfel seine eigene Militanz-Dynamik entwickelt habe. Vieles nach dem 06.07. sei aus Sicht vieler Beteiligter eben auch auf das brutale Vorgehen der Polizei bei Welcome to hell zurückzuführen. Die Kammer hat dann am Schluss noch Haftfortdauer für Loic angeordnet. Aus ihrer Sicht besteht der dringende Tatverdacht gegen ihn fort (in vermindertem Umfang auch wegen Elbchaussee) auch der Haftgrund der Fluchtgefahr liege aufgrund der drohenden „mehrjährigen“ Haftstrafe noch vor.
Am 29.07. geht es weiter, bis dahin ist prozessual erstmal Sommerpause.