[Deutschland] die drei von der Parkbank: 28.01.2020 – 7. Prozesstag – (Verk)Akte

Quelle: parkbank prozess

Angesetzt war der Verhandlungstag von 10 bis 15 Uhr. Wartezeiten waren heute sehr überschaubar und die Einlasskontrolle wie gewohnt ungewollt und doch routiniert.

Einzeleintritt, Schuhe aus, Jacke aus, Piepsding durchlaufen*** Piep*** Sachen mitnehmen und von Bullen betatschen lassen. Sachen einschließen und dann hatte ich mich auf den Spalierlauf an vielen Bullen vorbei in den Zuschauerbereich eingestellt, allerdings waren nur 5-6 Bullen im Treppenhaus postiert. Schön!

Der Prozess begann pünktlich. Es waren ca. 40 Prozessbeobachter*innen vor Ort. Die Stimmung war gut und unsere angeklagten Freund*innen guter Dinge.

Im Zentrum der heutigen Verhandlung steht die Frage, wer welches Aktenmaterial hat und inwiefern sich dieses unterscheidet.

Als erstes verteilte die vorsitzende Richterin eine aktualisierte E-Akte an alle Verteidiger*innen. Auf diesem Datenträger befanden sich neue und /oder original Bilder-, Schrift- und Datensätze zu den von den Bullen durchgeführten Brandversuchen sowie eine Videodatei zur Observation an der Tankstelle.

Daraufhin folgte, im leicht angefressenen Ton seitens der Verteidigung, der Antrag nun endlich vollständige Akteneinsicht zu bekommen. O-Ton Verteidigung: „Wenn ich vollständige Akteneinsicht sage, meine ich alle Informationen die den Ermittlungsbehörden vorliegen!“

… Es folgt recht lapidar von der Richterin ein :“Na Klar!“ … angesichts des 7. Verhandlungstages eine recht komische Haltung der Vors. Richterin.

Im Weiteren führt die Vors. Richterin aus, dass es nun einen Vermerk in der Leitakte (Akte der Verhandlung) gibt, welcher auf die Aussage von Zeuge Krull verweist.

Außerdem läge der Vors. Richterin ein Vermerk – ausgestellt vom zuständigen Sachbearbeiter-Bullen am 22.01.2020 aus dem LKA 7 – zu den Ermittlungsmaßnahmen im Kleingartenverein aus Oktober 2019 vor.

Hieraufhin meldet sich die Verteidigung zu Wort. Es folgt eine argumentative Empörung über die Verfahrensführung der Richterin und der Generalstaatsanwaltschaft: „Wie kann es sein, dass es

einen Tag nachdem bei einem Verhandlungstag Ungenauigkeiten der Ermittlungsbehörden und Aktenlage kritisiert wurde, aufeinmal neue Einträge in der Akte auftauchen?“ Und: „Ist es nicht ein seltsamer ‚Zufall‘, dass die zuständige Sachbearbeiterin genau bis zum Tag, an dem das Thema aus betreffendem Vermerk im Gericht zur Sprache komme, krank sei?“

An dieser Stelle verweist die Verteidigung nochmals auf den bereits ergangenen Antrag, zu prüfen, ob der Prozess unter „behördlicher Begleitung“ stattfinde aka. ob sich Bullen im Zuschauerraum befinden.

Daraufhin entgegnet GStA Schakau, dass die Verteidigung doch erstmal die Akten und Vermerke zur Kenntnis nehmen solle. Laut Staatsanwaltschaft würde die Verteidigung einen „Generalverdacht“ gegen die Bullen schüren und damit ein „linksextremistisches Narrativ“ verbreiten.

Nach einigen Diskussionen der Verteidigung mit der GStA entgegnete eine Verteidigerin, dass sie diese Plumpheit der Argumentation in Hamburg verstörend finde und diese lediglich aus Dresden am Montag gewohnt sei. Als aus dem Publikum zu diesem Beitrag Applaus entbrannte, fand sich die Richterin dazu bemüßigt, den solidarischen Menschen im Raum zu untersagen, die Verhandlungen durch applaudieren und Zwischenrufe zu unterbrechen. Sie drohte erneut mit Saalräumung, Bußgeldern und Ordnungshaft. Diese Verhandlung sei keine Gerichtsshow und das Verhalten des Publikums trage nicht zur Wahrheitsfindung bei. (Wobei diese These durchaus in Frage zu stellen ist).

Die Verteidigung nimmt nochmal Bezug auf die Pöbelei der GStA gegen angebliche „linksextremistische Narrative“ und stellt klar, dass es hier nicht mehr um einen „Generalverdacht“ gehe, sondern „schon längst um konkrete Verdachtsmomente“, das müsse „ja selbst Ihnen einleuchten“ (der GStA). Schakau fühlt sich davon erneut angegriffen, „natürlich werden wir das aufklären mit der Erkrankung“. Als die Verteidigung klarstellen will, was dieses „prüfen“ bedeuten müsse, weist Bornemann sie zurecht, „Lassen Sie mich ausreden – Sie schaffen das!“

Die Wortgefechte zwischen Verteidigung und GStA flauen ab. Die Verteidigung beantragt eine Unterbrechung der Verhandlung, um die Kopie des Vermerks in Augenschein zu nehmen. Dabei lässt sich die Verteidigung nicht davon abhalten, auf die „völlig systemwidrige Machtposition der Polizei“ in diesem Verfahren hinzuweisen.

Die Richterin geht nicht direkt auf diesen Antrag ein, sondern spricht an, dass der für den heutigen Tag geladene Zeuge Pahl (Cop) „vergessen habe, dass er heute eine Prüfung habe und darum verhindert sei“.

Angestoßen durch die Feststellung des letzten Verhandlungstages, dass das originale Fotomaterial sich zumindest teilweise in den Händen des LKA 7 befindet und die verhandelnden Parteien sich mit schwarz-weiß Kopien begnügen müssen, hat die Vors. Richterin zwischenzeitlich eine Nachforderung gestellt und zwei Ordner Aktenmaterial überstellt bekommen. Dies seien mit „Nachträge Sonderband Medien …“ und „Nachträge … Original“ betitelt. Sie könne die Ordner bislang nicht raus geben, weil die Kammer „selbst noch nicht wisse, was drin ist“. Sie seien erst am vorherigen Nachmittag angekommen.

Die Verteidigung fragt nach, wie denn die Akte überhaupt zum Gericht gekommen sei. Richterin: „Ich habe eine Mail an Herr Schakau geschrieben.“ Verteidigung: „Und dann sind nur diese beiden Ordner angekommen?“ Richterin: „Ja. Ich habe geschrieben, dass mir die Originale der Akte, die sich noch bei der Polizei befinden, zugestellt werden sollen.“ Verteidigung: „Ich möchte als Verteidigung Kenntnis über solche Vorgänge erlangen – ich beantrage, sofort auch über solche Mails zu erfahren – das ist wichtig für die Verhandlung.“ Immerhin seien hier ja „gerichtliche Nachbesserungsversuche“ im Gange.

Die Verteidigung beantragt nun eine Unterbrechung der Verhandlung zur Einsicht der neu eingetroffenen Aktenteile. Wobei auch zu prüfen sei, ob nun tatsächlich „alle noch bei der Polizei befindlichen Originaldokumente“ da seien. Immerhin seien ja schon ab dem 10.07.2019 nur noch schwarz-weiß Scans in der Akte. Da sich die Richterin von der offensichtlichen Unvollständigkeit der Akte bislang recht unbeeindruckt zeigt, beantragt die Verteidigung eine dienstliche Erklärung ihrerseits, ob sie der Ansicht sei, das ihrer Dienstanordnung in vollem Umfang Folge geleistet worden sei. Die Verteidigung unterstreicht wie das gemeint ist: „Ich an Ihrer Stelle hätte erwartet, dass zeitnah nach meinem Antrag auf Vervollständigung durch die Originalaktenteile ein LKA Beamter vor der Tür steht mit einem großen Karton – in dem mehr drin ist, als diese zwei Leitz – Ordner. Es mag jetzt eine Mutmaßung sein, aber was der Zeuge Krull sich da kopiert hat, befindet sich nicht in diesen beiden Ordnern.“ Eine weitere Verteidigerin ergänzt: „Auch die Erklärung über die Erkrankung bezüglich des Vermerks zum Kleingarten ist absurd. Beim ersten drüber schauen wird ja schon klar, dass da 3 Beamte unterwegs waren. Die werden ja nun kaum alle krank gewesen sein und das hätte ja auch ein anderer unterschreiben können.“

Die Verteidigung beantragt nun eine Unterbrechung der Verhandlung zur Akteneinsicht bis zum nächsten Tag. Die GStA grätscht dazwischen und sagt, der erste Schritt wäre ja, dass das Gericht Akteneinsicht vornimmt. Die Verteidigung erweitert daraufhin ihren Antrag auf Aussetzung der Verhandlung auch auf den kommenden Prozesstag, 29.1.2020.

Die Diskrepanz zwischen den Akten, aufgrund derer die Leitakte des Gerichts nicht als Originalakte bezeichnet werden kann, empfindet die Richterin als „unglücklich“. Demgegenüber stellt die Verteidigung fest, dass es sich schlichtweg um eine Rechtswidrigkeit handelt. Die Staatsanwaltschaft wiederum sieht in der Sache lediglich Anlass zu einer Meditation über die Frage „Was ist ein Original?“ und will diese nicht mit der Frage vermischt wissen, ob die Bullerei Akten vorenthalte oder nicht. Die Verteidigung weist darauf hin, dass die Bullen diejenigen sind, die faktisch das Verfahren verzögern, während „unsere Mandanten in Haft sitzen“. Das können selbst Schakau und Bornemann zusammen nicht abstreiten „Faktisch ja.“ Die Verteidigung versucht die Generalstaatsanwaltschaft in die Pflicht zu nehmen: „Sie sind doch der Polizei Weisungsübergeordnet – Sie müssen das prüfen! Und dann wird die U-Haft so lange hingezogen, bis sie dann schon selbst die Strafe ist.“

Die Verteidigung beantragt sämtliche Bestandteile der Papierakte des Gerichts im Original einsehen zu können, um diese mit der ihr vorliegenden E-Akte zu vergleichen.

Endlich ordnet die Vors. Richterin eine 15minütige Pause an, „um uns erstmal zu sortieren“. Das „Sortieren“ scheint etwas länger zu dauern, nach 30 Minuten erscheint die Kammer wieder im Saal. Die Richterin verkündet: „Wir denken, dass es sinnvoll ist, wenn das Gericht jede einzelne Seite prüft. Darum wird die Verhandlung erstmal unterbrochen. Wir klären dann im Laufe des Tages, ob sie morgen fortgesetzt wird.“ Die Verteidigung und GStA solle sich schon mal „vorsorglich auf den zeugen Stoffregen“ vorbereiten.

Von dem Einwand der Verteidigung, dass – selbst wenn aus Sicht des Gerichts alles übereinstimme, mache es keinen Sinn, am folgenden Tag weiter zu verhandeln, nach allem, was vorgefallen sei, da die Verteidigung bis morgen ja keine Einsicht in die Akte erhalte. Es stelle sich die Frage, in welchem Falle überhaupt morgen weiterverhandelt werden könne. Die GStA gibt sich verständnisvoll: „Wir gehen davon aus, dass Identität (der Akten) besteht – dann könnten wir weiter verhandeln. Aber wir verstehen, dass die Verteidigung da auch reinschauen muss.“

Wie immer zeigt sich die Vors. Richterin von den argumentativ schlüssig begründeten Anträgen der Verteidigung recht unbeeindruckt und bleibt bei ihrem „erstmal nur heute“.

Damit ist der Verhandlungstag 28.1.2020 bereits um 11.30 Uhr wieder beendet. Die Zeit hat dennoch gereicht, um einen neuerlichen Einblick in die „Arbeit“ der Bullen, ihr Verhältnis zur Justiz und ihren Umgang mit der Akte zu gewinnen, der selbst in rechtstaatlicher Hinsicht offensichtlich katastrophal ist.

Wir winken den Freund*innen zu, die wir nun leider vielleicht erst nächste Woche wiedersehen werden, um gemeinsam den Kampf mit der Bürokratie und durch den juristischen Wortsalat zu überstehen.

Nächster Prozesstag 04.02.2020.

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