Rheinmetall, Kriminalisierung von Widerstand & Spendenaufrufe

Quelle: emrawi.org

Eine Reflexion zum Thema Rheinmetall, Rojava, Kriminalisierung von Widerstand und Spendenaufrufe für die Unterstützung politischer Gefangene in der Türkei sowie für Betroffene von Repression in Wien.

Rheinmetall

Das größte deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall, belieferte nicht nur die deutsche Wehrmacht mit Waffen, sondern beschäftigte während des Nationalsozialismus auch ZwangsarbeiterInnen, von jenen viele das Unternehmen später auf Entschädigung klagten. Das Unternehmen aus Düsseldorf, unterläuft aktuell die nötige deutsche Genehmigungspflicht für Waffen indem sie Tochtergesellschaften in Italien und Südafrika baut, um so beispielsweise Saudi-Arabien zu beliefern. Außerdem gibt es bereits ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Türkei, hier Waffen- und Panzerfabriken zu bauen. Doch damit nicht genug, Rheinmetall beliefert auch das türkische Militär, die seit Oktober 2019 ihr Vernichtungsschlacht an der kurdischen Bevölkerung umsetzt. Welche Rolle hierbei der österreichische und deutsche Staat spielen, kann kaum in seiner vollständigen Transparenz wiedergegeben werden, außer dass sie den Partnerschaften Rheinmetalls mit despotischen Regierungen zusehen, und damit aber auch die Auslöschung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei, dem Irak und Nord-Ost-Syrien (Rojava) unterstützen. Aber solche Unerträglichkeiten sollte im Neoliberalismus nicht weiter verwunderlich sein, denn das Konzept Rheinmetalls fußt auf die Bedrohung und Zerstörung des Menschenlebens, deshalb bedeutet Krieg: Gewinn für Rheinmetall. Gewinn für Rheinmetall bedeutet, Wachstum für den Wirtschaftsmarkt. Hier fließen Millarden ein, weshalb ökonomische Interessen die politischen überschatten. Der Begriff des Rechts erlebt hier eine Umkerhung, oder aber es zeigt sich darin offentsichtlicher, das auch die Rechte besonderen Interessen unterliegen.

Recht – Rojava

Wie abstrakt und beliebig in seiner Anwendung der Begriff des Rechts gefasst ist, sehen wir ja am Verbrechen der Staaten an den Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze. Wo war hier das Recht auf ein würdiges Leben, Recht auf Asyl, kurzum wo sind die Menschenrechte, warum haben sie hier nicht durchgegriffen? Kann es sein, dass der ganze Diskurs der Menschenrechte selbst ein Überbleibsel des kolonialen Denkens ist? Kann es sein, dass Menschenrechte ein Spiel der Machtverhälltnisse sind, die der Macht des Stärkeren unterliegen? Ein ähnliches Problem, wo das Recht auf Leben sich dermaßen aushöhlt, sehen wir am Besatzungskrieg des türkischen Militärs in Rojava: Bündnisse mit Erdogan erlauben vielen Staaten nicht, ihre Interessen zurückzunehmen um der kurdischen Bewegung in Rojava etwas so grundlegendes wie das Lebensrecht zuzusprechen. Das kurdische Projekt, das sich als Demokratischer Konföderation defiminiert, erstreckt sich geographisch über Nord- und Ost-Syrien und ist ein Lebensraum für unterschiedliche Kulturen, das ohne die Anerkennung anderer Staaten seine Existenz nicht legitimieren kann. Ein Vergleich zum israelischen Staat, dessen Existenzrecht vor dem Hintergrund der Schoah verständlich ist, ist hier kategorisch fehl am Platz. Nämlich nicht allein weil der türkische Angriff auf die kurdische Bewegung nicht mit der Singularität des Nationalsozialismus zu vergleichen ist, sondern auch weil Israel nie beansprucht hat anti-kapitalistisch zu sein oder den Staat in eine Räte-Funktion aufzuheben, darin Bedürfnisse des Einzelnen kollektiv modifiziert werden. Wir sehen hier also den Antagonismus zwischen wirtschaftlichen Interessen neoliberaler Staaten und dem Lebensrecht der Bevölkerungsgruppen in Rojava, das aber auch erklärt, warum sich der Anerkennungsanspruch der autonomen Regierung Rojavas bis dato nicht erfüllte.

Politische Gefangene

In der Türkei wird jede Kritik am Regime Erdogans, sowie jede Befürwortung des kurdischen Projekts in Rojava als Hochverrat am Staate wahrgenommen. Deshalb sitzen so viele Menschen nun als politische Gefangene in Gefängnissen und werden interessanterweise nicht des Verrats bezichtigt, sondern wegen „kriminelle“ oder „terroristische Vereinigung“ angeklagt. Die Unanfechtbarkeit der Majestät Erdogans ist allerdings keine türkische Spezialität, denn in ihrem alleinigen Legitimationsanspruch erkennen Staaten prinzipiell nicht die Position ihrer politischen Gegner an, denn sonst würde die Anklage gegen Einzelpersonen oder Gruppen nicht „kriminelle“ oder „terroristische Vereinigung“ lauten, dadurch ihr politisch durchaus anerkennenswerte, ethisch hochstehende Motivation aberkannt wird und sie als ethisch minderwertige und ungewöhnlich brutale „Kriminelle“ erscheinen, die keinerlei Sympathie und Solidarität verdienen. Annerkannte der Staat Gruppen allerdings als politische Gegner, würde seine Legitimationsgrundlage ins Wanken geraten, denn er würde damit aussagen, dass er in Frage gestellt werden darf. So würden dann Systemgegner nicht mehr als Verbrecher interpretiert und politische Motivationen während eines Verfahrens nicht entpolitisert werden. Kann es etwa sein, dass der Rechtsstaat nicht allein nur seine Pflicht zu Recht und Wahrheit vernachlässigt, sondern auch sich seiner nicht gewiß ist? Sollte aber nicht ein freier Rechtsstaat genau dazu im Stande sein? Eine Verlegenheit, eine Ohnmacht im Herzen des Autoritarismus des Staates. Hinzufügen möchten wir, dass wir die politische Gefangenschaft nicht edler betrachten als Raub, Urkundenfälschung unter anderem. Diese Straftaten stehen für uns alle in einem Ensemble mit den Konstutionsbedingungen einer Gesellschaft und dem Rechtsstaat. Aber wie kam es zur aktuellen Lage von politischen Gefangenen, nämlich dass sie entpolitisiert, diskriminiert und ethisch disqualifiziert wurden?

Kriminelle Vereinigung

Im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhundert herrschte in den Gefängnissen eine bevorzugte Behandlung von politischen Gefangenen, das sich darin zeigte, dass gegen sie in der Regel nicht Zuchthaus, sondern Festungshaft – nämlich Einschließung – verhängt wurde. Diese Haftform enthielt etliche Vollzugslockerungen: nämlich freie Bücherbeschaffung, Bewegung im Freien bis zu fünf Stunden, Selbstbeköstigung, freien Empfang von Besuchern, sowie Erleichterung beim Schriftverkehr und beim Kontakt mit anderen Gefangenen. Allerdings sollte der Beweggrund für die Tat, aus den sittlichen, den religiösen oder politischen Überzeugungen des Verurteilten resultieren. Dadurch wurden politische Delikte nicht allzu diskriminiert, die höheren Klassen, namentlich die Bourgeoisie, respektierte auf diese Weise, „jenes Mittel der Auseinandersetzung, durch das sie selbst zur Herrschaft gelangt ist: die Gewalt“ nämlich „die politisch motivierte Gewalt.“ So der Rechtswissenschaftler Rolf Gössner in seinem „Anti-Terror-System“ Buch. Weiters hält Gössner fest, dass diese Privilegierung nicht allzu lange gehalten hat, sondern sich in seinem Gegenteil verkehren sollte, nämlich als, Zitat: als sich die „reaktionär-konservative Richterschaft schwer damit tat, diese Vergüngstigungen nicht nur rechten, sondern auch linken politischen Gefangenen zu gewähren. Die Justizpraxis hatte sich damit bereits weitgehend vom Geist der noch gültigen Normen verabschiedet, als diese schließlich von den Nazis Anfang der dreißiger Jahre auch formal abgeschafft wurden.“

Diese endgültige Abschaffung der Privilegien wird vom berüchtigten Staatssekretär Roland Feisler im NS-Reichsjustizministeriums mit der Begründung gerechtfertigt, dass für die „Anerkennung der Gesinnungstäterschaft im nationalsozialistischen Strafrecht“ kein Raum sei. Denn das würde „der Bewertung des Täters als zwar gegnerischem, aber doch anständigen Kämpfer entsprechen.“ Das sei aber im Nationalsozialismus nicht möglich. „Stattdessen wurde der politische Gegner zum besonderen schweren Kriminellen gestempelt.“ so Gössner. Das Program gegen den Staatsfeind lautete im Strafmaß und Strafverfolgung: kraftvolle Strenge und erforderlichenfalls völlige Vernichtung. Mit Gössners Worten halten auch wir dieses Rechtsverständnis für Justizterrorismus und stellen mit ihm fest, dass sie seit des NS-Regimes im jetzigen Rechtstaat weder in Deutschland noch in Österreich bewältigt, sondern sogar in unterschiedlichen Formen generiert worden ist. Der politische Gehalt von Strafprozessen wird eliminiert umso den politischen Gegner zu verfolgen, deshalb auch die Bedeutung der Strategie der Entpolitisierung von Straftaten für die Strafjustiz. Der schnellste Weg politische Gegner zu kriminalisieren lautet in der beliebten Literatur des Neoliberalismus neben den Arbeitsverträgen im Strafgesetzbuch: Paragraph 278 in Österreich und Paragraph 129 in Deutschland. Damit wird nicht nur das durchgängig behauptete Demokratie-Verständnis des Rechstaates verletzt, sondern auch das historische Skandal vertuscht, den nationalsozialistischen Charakter des Strafrechts nicht revidiert zu haben.

Solidarität

Nun, was aber passiert mit der politischen Bedeutung eines Verfahrens? Wohin schwindet dieser im Strafprozess? Sie hallt nicht in den Wänden des Gerichts, denn die Anklage abstrahiert den gesammten politischen, gesellschaftlichen wie individuellen Kontext einer Straftat und fokussiert sich auf die konkreten Straftaten. Allerdings machen solche Strafprozesse die schändlichen „Demoktratien“, Despotien und degenerative und reaktive Regierungsformen sichtbar. Genau diese Sichtbarkeit hallt dann als Echo in der Solidarität wieder. Es sind immer die repräsentativen Interessen die unsere Kräfteverhältnisse zerstören, verwechselt diese nicht mit eure affektiven Solidarität! In diesem Zusammenhang möchten wir euch auf zwei Spendenaufrufe aufmerksam machen:

Spendenaufruf Causa Rheinmetall

Derzeit gibt es viele Aktivist*innen und Gruppen, die auf die wesentliche Rolle Rheinmetalls in der Vernichtung von ganzen Bevölkerungsgruppen aufmerksam machen. Wie sicher sich Rheinmetall auch in Wien fühlt, zeigte eine haarsträubende Festnahme Im Oktober 2019. Vier Personen wird vorgeworfen Transparente und Graffiti an der Außenmauer der Firma Rheinmetall in Wien Liesing angebracht zu haben. Dies zur Grundlage nehmend, wurde eine Person direkt vor dem Firmengelände festgenommen; drei weitere Personen wurden später in der Gegend aufgegriffen, nachdem die Polizei mit Hubschraubern nach weiteren „Sprayern“ gesucht hatte. Dieses Spektakel war der Polizei jedoch nicht genug, um für den Schutz der Firma Rheinmetall zu sorgen. Den Festgenommenen wird nun Sachbeschädigung zur Last gelegt, woraufhin bei Dreien Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden. Den Höhepunkt des Repressionsschlags stellt jedoch die Abschiebung und das 10-jährige Einreiseverbot nach Österreich für einen der Festgenommen (dt. Staatsbürger) nach Deutschland dar, die noch am selben Tag durchgeführt wurde. Gegen diese rechtlich zweifelhafte Maßnahme wurde von dem Betroffenen Einspruch eingelegt und die betroffene Person darf ihren Wohnsitz wieder in Wien beanspruchen.
Der Verweis auf das umsatzsteigernde Geschäf mit dem Blut und damit den Pakt Rheinmetalls mit Erdogan und anderen Verbrechern, hatte im Oktober des vergangenen Jahres die Repression und Kriminalisierung der Angeklagten in Wien zur Folge. Jetzt ist es jedoch mehr denn je von nöten auf diese verbrecherischen Geschäfte der Rüstungsindustrie hinzuweisen und Solidarität mit dem emanzipatorischen Gesellschaftsprojekt in Nord- und Ostsyrien zu zeigen, es zu verteidigen, für es einzustehen.
Kriminalisieren wir die Firma Rheinmetall und nicht diejenigen, denen vorgeworfen wird, auf diese Verbrechen hinzuweisen!

Da sowohl für die fremdenrechtliche wie strafrechtliche Angelegenheit schon Kosten angefallen sind, können die Betroffenen nun finanziell unterstützt werden:

Rote Hilfe Wien
IBAN: AT46 6000 0103 1036 9883
Betreff: Antimilitarismus

Der zweite Spendenaufruf richtet sich für politische Gefangene in der Türkei:

Spendenaufruf pol. Gefangene in der Türkei

Mit dem 14. April 2020 erließ die türkische Regierung aufgrund der aktuellen Pandemie ein selektives Amnestiegesetz, darin sie sich einmal mehr in ihre Grausamkeit überbot. Obgleich das Amnestiegesetz der Verschlechterung der Gesundheit der Gefangenen in den Gefängnissen entgegenwirken sollte, benutzte Erdogan diese Maßnahme als Kampfmittel um seine „politischen Gegner“ weiter zu tyrannisieren. Weder die steigende Anzahl der an Covid-19 Infizierten Häftlinge, noch die bestätigten Todesfälle hinderten ihn von den Maschen der Macht Abstand zu nehmen. Die Regierung Erdogans kennzeichnet sich vor allem durch ihre Einführung von Sondermaßnahmen oder Ausnahmezuständen aus, so auch am Amnestiegesetz während der Pandemie: das Sonderamnestiegesetz schließt die politischen Gefangenen, nämlich jene mit „terrorismusbezogenen Anklagen“ aus seinem Geltungsbereich aus. Durch Erdogans alleinige Herrschaft über die Judikative, Exekutive und Legislative entleeren sich Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Solidarität dermaßen, dass nur noch der Überlebenskampf zählt. Der Kampf ums Überleben zeigt sich nicht nur in den Gefängnissen bei den politischen Gefangenen, sondern eben auch an der kurdischen Gesellschaft im Zuge des Besatzungskrieges Erdogans im Nordsyrien.

Entgegen dieser ungeheuren Logik des Erdogan Regimes, möchten wir den politischen Gefangenen in der Türkei unseren Enthusiasmus für ihre Kritik an den bestehenden, unerträglichen Verhältnissen zeigen und rufen euch auf, sie finanziell zu unterstützen damit ihre Anwaltskosten gedeckt sind!

Spenden bitte auf unser Konto:

Rote Hilfe Wien
IBAN: AT46 6000 0103 1036 9883
BIC: BAWAATWW
Stichwort „Türkei Knastsoli“

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