[Griechenland] Eine erste Erklärung von Dimitra Valavani, Kostantina Athanasopoulou und Giannis Michailidis (2. März 2020)

Quelle: insuscettibilediravvedimento, übersetzt von abc wien

Es ist schwer, die Freiheit zu verlieren. Vor allem, wenn sie unter widrigen Bedingungen erobert wurde. Die Situation wird noch schlimmer, wenn wir bedenken, dass der Schlag, den wir auf materieller Ebene erhalten haben, eine noch stärkere symbolische Bedeutung hat. Auf unsere filmreife Verhaftung folgte eine ähnliche Medienpropaganda, unsere Foto-Tour mit kugelsicheren Westen und die übliche richterliche Verwaltung, um uns erneut mit einer Reihe aufgeblasener Anschuldigungen wiederzufinden, die eine Verlängerung der Handschellen und Waffen der Mörder*innen in Uniform sind.

Werfen wir einen Blick auf die breitere soziale Situation, die uns umgibt und die sich rasch verändert, damit wir uns ein wenig von unserem Mikrokosmos entfernen können.

Vom Ausmaß der Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Unterdrückung ihrer Rechte bis hin zur Sklaverei von Tieren in Fleischproduktionsbetrieben. Von der intensiven Unterdrückung von Protesten und dem Kauf modernster Ausrüstung durch Anti-Terror-Einheiten auf der ganzen Welt bis hin zur Abholzung und dem Verschwinden von Wildtieren. Von der wirtschaftlichen Ausgrenzung eines wachsenden sozialen Segments über die gewaltsame Marginalisierung des größten Teils der Erdbevölkerung bis hin zur Tötung der Armen, der Ausgeschlossenen und aller Reste aus der Welt der Mächtigen. Von der aggressiven Wirtschafts- und Finanzelite bis zu den bombardierten, erschossenen und entwurzelten Menschen. Wo die Interessen der Mächtigen Tod, Gefahr oder ein in Unterwerfung ertrunkenes Leben bedeuten. Natur, Tiere und Menschen stellen nichts Anderes dar, als Einheiten, die Profit und Reichtum erzeugen. Diese und viele andere Tatsachen haben uns dazu veranlasst, uns für den anarchistischen Kampf zu entscheiden, eine Entscheidung, die die bestehende Gesellschaftsordnung in Frage stellt.

Unser anfängliches Ziel ist die Schaffung authentischer und aufrichtiger Beziehungen und gleichzeitig ein dauerhaftes Bedürfnis nach unserer Beteiligung an dem facettenreichen Kampf zu schaffen. Schließlich differenziert der anarchistische Kampf seine Mittel nicht und unterstützt keine Hierarchie der Kampfformen. Er ist unabdingbar und passt sich den Bedingungen jeder Epoche an und setzt auf Kollektivierung und Verbreitung im sozialen Gefüge.

Bis zu unserer Festnahme – auch wenn nicht alle von uns unter den gleichen „legalen“ Bedingungen waren – stellten wir fest, dass die Anti-Terror-Einheiten mit bekannten und unbekannten Überwachungsmethoden, deren eklatantes Geheimnis der griechische Staat offiziell leugnet, ihren Einfluss auf die uns nahestehenden Menschen verschärften. Ganz gleich, wie sehr sie über die Legitimität schreien, die sie angeblich verteidigen, da sie in jeden Aspekt des persönlichen Lebens unserer Familien und Freund*innen auf die empörendste und verwerflichste Weise eindringen. Abhören von Telefonen, physische Überwachung rund um die Uhr, schrittweises Verfolgen von Personen, die mit uns verbunden sind, Ortungsgeräte, Menschen in Autos, die vor Häusern warten. Unabhängig davon, wie sie versuchen, von der vermeintlichen Legitimität ihrer Methoden zu überzeugen, wenden die Antiterrortruppen illegale Praktiken an.

Am Morgen des 29. Januars [2020] fuhren wir mit dem Auto los, das zwei Tage zuvor gestohlen worden war und mit dem es seit dem Zeitpunkt des Diebstahls bis zu dem gerade erwähnten verdammten Tag keinen Kontakt gegeben hatte. Von den ruhigen Straßen von Vyronas bewegten wir uns auf den Berg (Ymittos) zu, und es war klar, dass wir nicht verfolgt wurden oder dass wir auf der Straße und auf unbefestigten Wegen nicht hinter einem anderen Fahrzeug fuhren, was darauf hindeutet, dass die Überwachung wahrscheinlich elektronisch erfolgte. Als wir aus dem Berg in Richtung Agia Paraskevi kamen, gab es um uns herum eine unnatürliche Bewegung. Bald, als wir auf koordinierte Weise und auf allen Seiten von vielen Autos und Motorrädern umgeben waren, stellten wir fest, dass wir in einen Hinterhalt von Antiterrortruppen geraten waren. Unsere Schlussfolgerung ist, dass die Polizei den Verdacht hatte, dass wir dieses bestimmte Automodell benutzen könnten, und sobald sie über den Diebstahl eines Fahrzeugs dieses Typs informiert wurde, mobilisierten sie einen Verfolgungsprozess, der bestimmte Bereiche absuchte, in denen sie aus uns nicht bekannten Gründen annahmen, dass das Fahrzeug geparkt sein könnte.

Aber wer sind diejenigen, die nach ihren Aussagen nach „Abwägung der Bedingungen“ beschlossen haben, mittags an einem der belebtesten Orte in Athen einzugreifen? Wer sind diejenigen, die mittags mitten auf einer Straße mit Fußgänger*innen und Autos ihre Waffen gezogen haben? Wer sind diejenigen, die schließlich unter der Verantwortung des Ministers für städtische Sicherheit Michalis Chrisochoidis [Leiter des Ministeriums für Bürgerschutz, d.h. des Ministeriums für öffentliche Ordnung] und des Kommandeurs der „Antiterror“-Einheit Lefteris Hardalias riskierten, eine Operation mitten auf der Straße zu organisieren und durchzuführen, wobei die Sicherheit der Bürger*innen ignoriert wurde, nur um zwei gesuchte Personen zu verhaften? Schätzen sie auf diese Weise die Bedeutung des menschlichen Lebens und die Sicherheit der Passant*innen? Basierend auf ihrem Durst nach Ergebnissen? Kinder, Schulen, Menschen auf Balkonen, vorbeifahrende Autofahrer*innen spielen nicht automatisch eine Rolle. Sie arbeiten einfach um jeden Preis für Ergebnisse. Haben sie sich jemals gefragt, wer wirklich die Gesellschaft als Ganzes gefährdet und terrorisiert; zwei gesuchte Personen, in einem Auto, oder das riskante Eingreifen bewaffneter und vermummter Polizist*innen mitten auf der Straße?

Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass der opportunistische Minister sich dafür entscheidet, das Leben von Bürger*innen zu riskieren oder gar zu opfern. In seiner vorherigen Regierung wurde ein 25 Jahre alter albanischer Arbeiter, Nikola Todi, während eines Polizeieinsatzes in Vyronas von Polizisten hingerichtet, die ihn als einen der gesuchten Flüchtigen betrachteten. Chrisochoidis vertuschte den Mord politisch und nannte es die erfolgreiche Verhaftung zweier „gefährlicher Krimineller“, während auch heute noch in allen Medien eine Leiche erwähnt wird, die mitten in einer Schießerei gefunden wurde.

Was nach der Verhaftung der Anarchist*innen folgt, ist mehr oder weniger bekannt. Grausame Gewaltbehandlung, Isolation usw. Bei der Beschreibung dessen, was danach geschah, wollen wir nicht weiter ins Detail gehen, um nicht zur Verbreitung der Botschaft des Terrors beizutragen, die vom Unterdrückungsapparat des Staates ausgeht. Aber wir müssen wissen lassen, dass während der gewaltsamen Entnahme von DNA-Proben von zwei Gefährt*innen, die in diese Maßnahme eindeutig nicht einwilligten, ein Antiterror-Tyrann den Kopf der Gefährtin Dimitra Valavani gegen die Wand schlug, obwohl er über ihre kürzlich durchgeführte Operation am Kopf informiert worden war. Später, nachdem das genetische Material […] entnommen war, wurde ihr der Kontakt mit dem*der Ärzt*in, der*die sie operiert hatte, verboten und sie wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo sie sich für ihren Fall irrelevanten Tests unterzog. Sie arbeiteten wie gesetzlich vorgeschrieben, wie uns der Anti-Terror-Kommandeur Lefteris Chardalias persönlich mitteilte. Es ist erwähnenswert, dass sein Vorgänger nun wegen Waffenschmuggels durch dieses ansonsten gesetzestreue Amt gesucht wird. Wir gehen davon aus, dass seine jetzigen Kolleg*innen so sehr nach ihm suchen, wie sie auch nach uns gesucht haben, aber er hat wahrscheinlich die Fähigkeiten eines Geistes. Wir sind auch zuversichtlich, dass sie genauso viel wie für unsere Fahndung ausgeben werden, um herauszufinden, an welchem Schmugglerring seine Polizist*innen beteiligt sind, um Dutzende „völlig legaler“ Dienstleistungen für prominente Geschäftsleute zu erbringen. Diese Leute sind also unsere Verfolger*innen, und das ist ihre Aufgabe.

Die führende Rolle bei der Unterdrückung gefährlicher Ideen und Handlungen innerhalb unserer wunderbaren Mediendemokratie spielt der ideologische Apparat der Medien der Massentäuschung, der mit seinen bekannten Tricks die dominierende Rolle bei der Veränderung der Realität spielt. Ein banales Beispiel: Von den Medien des Regimes wird das Haus unserer Gefährtin als Versteck auserkoren, ohne dass etwas Illegales darin gefunden wird. Ihre Aufmerksamkeit dafür ist keineswegs zufällig. Nachdem sie mit schweren Strafen eine langjährige Haft gegen zwei von uns erwirkt haben – nämlich dass Gefährte Giannis Michailidis sechseinhalb Jahre im Gefängnis verbrachte, während seine Gefährtin Kostantina Athanasopoulou 18 Monate im Gefängnis verbrachte und zu 35 Jahren verurteilt wurde – versuchen sie, die Vorwürfe gegen Gefährtin Dimitra Valavani, für die sie keine schweren Strafen parat hatten, zu verschärfen und so den Willen zur Rache für ihre Haltung, also die von ihr zum Ausdruck gebrachte Solidarität, deutlich zu machen.

Wer sind eigentlich all diese hervorragenden Eigentümer*innen all dieser Fernseh- und Verlagsgruppen, die durch ihre Mitarbeiter*innen mühelos ihr Gift auf uns schießen. Die Realität ihres Standes ist erschreckend. Menschenhändler*innen, Drogenhändler*innen und Mörder*innen.

Die Funktionär*innen der Propagandainstrumente des Regimes wagen es, uns als Terrorist*innen zu bezeichnen, ein Wort, das seit der Französischen Revolution von allen Regimes auf der ganzen Welt verleumderisch gegen aufständische Rebell*innen verwendet wird.

Erinnern wir daran, dass die bürgerliche Demokratie die Methode des Terrorismus gegen ihre Gegner*innen anwandte, um ihre Autorität zu etablieren. […] Wir kämpfen jeden Tag gegen Staatsterrorismus und kapitalistischen Terrorismus. Gleichzeitig werden in der Medienverwaltung unseres Falles offen sexistische Begriffe verwendet, sowohl mit der Absicht, die Stellung und Haltung der Frauen zu untergraben, als auch mit der Absicht, das patriarchalische Modell eines Anführers einer „kriminellen Organisation“ hervorzuheben, der die Frauen um sich herum benutzte. Dies ist mehr als beleidigend für unsere Beziehungen und unsere Haltung im Allgemeinen.

Die repressive Operation, die gegen uns unternommen wurde, ist kein isolierter Polizeieinsatz, sondern Teil der Hartnäckigkeit des Staates bei dem Versuch, jede Form des Widerstands, jedes in Freiheit schlagende rebellische Herz zu vernichten und zu zerschlagen. Sie kommt in einer Zeit absoluter staatlicher Entschlossenheit gegen die geräumten Besetzer*innen, die Geflüchteten in den Camps, die bei Protesten zerschlagenen Köpfe, die sexistische Gewalt gegen Frauen in Exarchia, die Umstrukturierung des rechtlichen Arsenals des Staates selbst.

Einige abschließende Bemerkungen:

  1. Sicherlich war es das wert. Jeder freie Tag, der der Gefängnissklaverei enteignet wird, ist unbezahlbar.
  2. Die Konfrontation mit einem immer mächtiger werdenden Apparat ist immer schwieriger durchzuhalten. Schutz ist nun auch in Angelegenheiten notwendig, die wir uns bis vor kurzem noch nicht vorgestellt haben, wo es darauf ankommt, zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt.
  3. Das Glück spielt eine entscheidende Rolle, aber die Chancen standen gegen uns. Zu diesem letzten Punkt ist zu sagen, dass sehr viel auf dem Spiel steht. Jede repressive Operation sendet eine Botschaft der Macht aus. Diese Botschaft zielt darauf ab, Menschen zu terrorisieren, die sich dem Staatsapparat aktiv widersetzen. Infolgedessen nimmt die Zahl der Aktionen und Akteur*innen ab, was dazu führt, dass sie sich auf die wenigen Verbleibenden konzentrieren. Genau dies erhöht asymmetrisch ihre Chancen gegen uns. Deshalb müssen wir die Angst besiegen und die direkte Aktion neu beleben. Um die Straße nicht aufzugeben, um sich nicht im Kampf gegen Staat und Regierung zu ergeben.

 

Solidarität findet ihren Sinn durch die Entwicklung einer vielgestaltigen subversiven Aktion.

Wenden wir uns gegen ihre nächsten Prozesse, gegen die schweren Anschuldigungen, gegen das Antiterrorismus-Szenario.

Lasst uns ohne Vorbehalt bis zur vollständigen Befreiung kämpfen.

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Anmerkung:

Die anarchistischen Gefährt*innen wurden auf der Fahrt in einem gestohlenen Auto mit einigen Schusswaffen an Bord angehalten, für die Giannis Michailidis später die Verantwortung übernahm.

Giannis Michailidis war im Juni 2019 aus dem Landgefängnis von Tyrintha geflohen. Im Februar 2013 zusammen mit drei anderen Anarchisten wegen des bewaffneten Doppel-Raubüberfalls in Velventos (Region Kozani) verhaftet, wurde er am Ende des Prozesses zu 16 Jahren und 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Darüber hinaus verbüßte er im Mai 2011 eine weitere Strafe wegen eines Zusammenstoßes mit der Polizei in Pefki (Gebiet Athen). Bei einer Kontrolle wurden zwei Polizisten erschossen und der Anarchist Theofilos Mavropoulos, der ebenfalls verwundet wurde, verhaftet, während Giannis Michailidis durch Diebstahl des Polizeiautos entkommen konnte. Für diese Tatsachen wurde er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Darüber hinaus wurde der Gefährte im Februar 2011 nach Zusammenstößen während eines Generalstreiks verhaftet, weil er die Bereitschaftspolizei, die zum Schutz des griechischen Parlaments auf dem Syntagma-Platz in Athen stationiert war, mit Pfeil und Bogen beschossen hatte.

Kostantina Athanasopoulou war seit ihrer Freilassung auf Kaution im Jahr 2019 auf freiem Fuß. Sie wurde am 5. Januar 2017 zusammen mit Pola Roupa in Athen verhaftet und der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Revolutionären Anarchistischen Organisation Revolutionärer Kampf angeklagt. In einem der Prozesse gegen den Revolutionären Kampf wurde sie, ebenfalls 2019, in Abwesenheit zu 35 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Nach ihrer Verhaftung im Januar 2017, nachdem sie erklärt hatte, dass sie Anarchistin und Mitglied des Revolutionskampfes sei, trat sie sofort mit Pola Roupa und Nikos Maziotis in den Hungerstreik für die Freilassung ihres Sohnes (6 Jahre alt), der nach der Repressionsoperation inhaftiert und von den Repressionskräften überwacht worden war (er wurde später freigelassen).

Die Adressen lauten wie folgt:

Dimitra Valavani [Δήμητρα Βαλαβάνη]
Dikastiki Fylaki Korydallou, Gynaikeies Fylakes
T. K. 18110, Korydallos, Athens — Greece

Kostantina Athanasopoulou [Κωσταντινα Αθανασοπουλου]
Eleonas Women’s Prison, Dikastiki Fylaki Eleonas
T. K. 32200, Thebes — Greece

Giannis Michailidis [Γιαννης Μηχαιλιδης]
Malandrinou prison [Κ. Κ. Μαλανδρίνου]
T. K. 33053, Malandrino, Fokidas — Greece

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