Deutsche Übersetztung am 15.06.2020 per mail erhalten.
Über die repressive Operation „Bialystock“
Aridaje.
Die x-te antianarchistische Repressionsoperation begann im Morgengrauen des 12.06.20 in den von den italienischen, französischen und spanischen Staaten dominierten Gebieten. In großem Stil, sodann mit Sturmhauben und abgeflachten Waffen, durchsuchten die Bullen mehrere Häuser, beschlagnahmten das übliche und verhafteten 7 Leuten, von denen sitzen 5 im Gefängnis und 2 unter Hausarrest.
Repressive Operation gegen Anarchist*innen in Bologna (Aktualisierung + Textsammlung)
Zur Erinnerung, in der Nacht vom 12. zum 13. Mai wurden in Bologna (Italien) 12 Personen verhaftet. Sie wurden beschuldigt, unter anderem, teil einer „Subversiven Vereinigung“ zu sein.
Eine Woche später entschied ein Gericht die Anklagen und die Haftsituation (in diesem Fall U-Haft, Hausarrest, oder das Verlassen der Stadt in der man wohnt) zu verringern, hier jetzt ein Reihe von Texten zu diesem Fall. Sie sind nicht chronologisch. Die Übersetzungen sind von uns.
Wir versuchen jetzt selbst eine Zusammenfassung der heutigen Operation, Namens „Bialystok“ durch zu führen. Alle Infos entnehmen wir von den Medien und wir deuten daraufhin dass es sich daher nicht um bestätigte Infos handelt, wir wissen nicht ob diese wirklich stimmen, aber wir können sie wenigstens nutzen, um zu erfahren worum es „offiziell‘‘ geht, ob sich all dies bewahrheitet werden wir in den kommenden Stunden und Tagen noch erfahren.
(Palermo, Italien) Erklärung von Carmine Lanzetta und Davide Delogu
Davide hat uns das folgende Kommuniqué zukommen lassen, das wir gerne veröffentlichen möchten, es wurde zusammen mit einem Gefährten aus dem Isolationstrakt des Pagliarelli-Gefängnisses in Palermo verfasst. Wir werden unseren Kollegen bedingungslos weiter unterstützen!
FREIHEIT FÜR DEN GEFÄHRTEN DAVIDE DELOGU! DAVIDE DELOGU AUF SARDINISCHEM BODEN!
Wie wir vor Kurzem erfahren haben, hat Andreas nun endlich nach langem Hin und Her seine vollständige Krankenakte von den Behörden bekommen. Diese gibt Aufschluss über das Verhalten der Gefängnisbehörden in Neapel und die bodenlose Ignoranz gegenüber Andreas‘ Gesundheitszustand.
In der Akte befinden sich Berichte und Diagnosen, die bei Untersuchungen in unterschiedlichen Krankenhäusern außerhalb des Gefängnisses vom Jänner bis Dezember 2019, erstellt wurden. So wird bereits in einem Bericht vom 17.01.2019 von einem bösartigen Karzinom gesprochen. Ende des Jahres, im Dezember 2019, ergab eine Untersuchung im Krankenhaus, dass bei Andreas mehrere bösartige Tumore festgestellt wurden. Diese Untersuchung fand nach Andreas Suizidversuch statt, und das Ergebnis wurde danach auch an die Haftanstalt und die dortige Klinik übermittelt. Ein Bericht von November/Dezember 2019, der nach einer externen Untersuchung in einem Krankenhaus erstellt wurde und anschließend ebenfalls an die Haftanstalt übermittelt wurde spricht davon, dass Andreas zu „99.9% unheilbar krank“ sei.
Diesen Arikel haben wir von Finimondo entnommen und übersetzt
„In 20 Jahren noch nie gesehen“, sagte ein leitender Angestellter einer der führenden französischen Telefongesellschaften am vergangenen Mittwoch, dem 6. Mai. Worauf bezog er sich? Die nationale Panik, die in dieser Zeit der Pandemie ausgelöst wurde, der Gewinn, den sein Unternehmen dank der Ausgangssperre erzielen wird, die seit Wochen Millionen von Benutzern gezwungen hat, an elektronischen Geräten kleben zu bleiben, der Zusammenbruch des Niveaus der Luftverschmutzung durch die Quarantäne …? Nein, er bezog sich auf etwas ganz anderes: die Sabotage, die am Vortag in der Île-de-France stattfand, der Region, in der sich die Hauptstadt des Landes mit ihren politischen Ministerien und ihrem Finanz- und Wirtschaftssitz befindet. Eine als „vorsätzlich und in großem Maßstab“ definierte Sabotage, die nur 48 Stunden nach der öffentlichen Alarmierung durch eine Pariser Zeitung über die „Wiederaufnahme direkter Aktionen“ im gesamten Sechseck gegen die (Infra-)Strukturen der Herrschaft stattfand.
Gefunden auf Finimondo, dieser Artikel wurde am 4.Mai 2020 veröffentlich, von uns übersetzt
Quarantäne oder Tod?!
„Infektionskrankheiten sind zwar ein trauriges und schreckliches Thema, aber unter normalen Bedingungen sind sie Naturereignisse, wie ein Löwe, der ein Gnu frisst, oder eine Eule, die eine Maus frisst“ – David Quammen, Spillover, 2012.
Oder wie ein Erdbeben, das den Boden erzittern lässt, oder wie ein Tsunami, der die Küste überschwemmt. Wenn sie keine oder fast keine Verluste verursachen, werden diese Phänomene nicht einmal bemerkt. Erst wenn die makabre Zahl (A.d.Ü., von Toten) zu steigen beginnt, hören sie auf, als Naturereignisse zu gelten, und werden zu ungeheuren Tragödien. Und sie nehmen schreckliche und unerträgliche Umrisse an, vor allem, wenn sie vor unseren Augen hier und jetzt auftreten, nicht auf einem (A.d.Ü., anderen) Kontinent oder in einer fernen Vergangenheit, die leicht zu ignorieren ist. Nun, wann säen diese Naturereignisse selbst den Tod? Wenn ihr Auftreten überhaupt nicht beachtet wird, was eine Voraussetzung dafür ist, keine Vorsichtsmaßnahmen gegen sie zu ergreifen. Der Bau von Betonhäusern in stark erdbebengefährdeten Gebieten zum Beispiel ist ein sicherer Weg, ein Erdbeben in eine Katastrophe zu verwandeln. In Erwartung der nächsten Regenfälle bedeutet die Abholzung eines Berges die Vorbereitung eines Erdrutsches, der das darunter liegende Dorf wegfegen wird, so wie die Zementierung des Flussbettes eines Flusses, der durch bewohnte Gebiete fließt, einen Überlauf verspricht, der den Untergrund und die unteren Teile der Gebäude überfluten wird.
Wie erwartet, wurde der Antrag auf Überstellung in den Hausarrest wegen des Coronavirus abgelehnt.
Aus den Telefonaten mit Peppe wissen wir, dass sich die Differenzen mit einigen politischen Gefangenen, die lange Zeit in AS2 eingesperrt waren, nach dem Aufstand vom 9. März verschärft haben. Während das Gefängnis von Alessandria brannte und die Spannung hoch war, schlossen sich einige von ihnen in Zellen ein, während Peppe und ein anderer Gefangener versuchten, die Rebellen so weit wie möglich von den Fenstern ihrer Abteilung aus zu unterstützen, indem sie Dinge in Brand setzten und mit Gasgaskartuschen warfen. Aus diesem Grund erhielt er eine Beschwerde, zusätzlich zu einigen anderen individuellen Protestaktionen, die in der Sektion ein ziemliches Durcheinander verursachten und etwa 3000 Euro Schaden an der Gefängnisstruktur verursachten. Aber das Sonnenlicht kommt wieder einmal durch viele der Fenster von AS2.
Nach wie vor stehen wir in engem brieflichen Kontakt mit Andreas im Knast in Neapel und auch mit seiner Frau Jutta.
Andreas schreibt viele viele Briefe, schildert die Situation vor Ort in Zeiten von Corona und das, obwohl er permanente Schmerzen und sehr viel an Gewicht verloren hat, kaum essen kann und ständig starke Medikamente nimmt, die sein Bewußtsein beeinträchtigen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus steht nun fest: Wenn er nicht bald operiert wird, dann hat er nur noch wenige Wochen zu leben. Für diese OP muss er in eine Spezialklinik, danach kann er aber aufgrund des erhöhten Pflegebedarfs, den Andreas benötigen wird, nicht mehr ins Gefängnis zurück. Das heißt, aktuell geht es darum eine Wohnung in Neapel zu finden, und seine Frau eine Reise nach Italien zu ermöglichen. Und dann sind da noch die beschissenen Einreisebeschränkungen aufgrund der COVID-Situation, die es auch nahen Angehörigen verunmöglicht in den schwersten Phasen ihres Lebens nicht zusammen kommen zu können.
Per Mail erhalten, die Namen der Gefährt*innen wurden schon auf den italienischen Medien veröffentlicht, von uns übersetzt.
Nach einigen Stunden gab es genauere Nachrichten über die Operation „Ritrovo“ in Bologna, die von der ROS koordiniert wurde. Die verhafteten Gefährt*innen sind sieben: Elena, Leo, Zipeppe, Stefi, Nicole, Guido und Duccio.
Original gefunden auf Round Robin, von uns übersetzt
Die Leere der Technik.
Die ständige Anpassung der politischen Projekte moderner Staaten an die vermeintliche Unfehlbarkeit der Technologie scheint dieselben Regierungen in den Hintergrund gedrängt zu haben, die ihr ihre eigenen Entscheidungen übertragen. Tatsächlich entwickelt der Staat weiterhin eine repressive Rolle und unterstützt durch seine Vertreter die Aktivierung der bereits definierten Wirtschafts-, Gesundheits- und Verwaltungsprotokolle. Insbesondere ist es zweitrangig, ob solche Protokolle wirksam oder schädlich sind. Für die Marionetten des Augenblicks sollte die Anwendung der fraglichen Protokolle ein Faktor sein, der ihre eigene Popularität erhöht und gleichzeitig eine wissenschaftliche Begründung für die getroffenen Entscheidungen liefert. Wie man all diese Regierungspropaganda macht, ist die Aufgabe der Medien und derer, die sich um die Politik drehen. Wenn etwas schief geht, halten sie sich an den stets wirksamen Satz: „Alle für den Fall erforderlichen Verfahren sind eingehalten worden“.
Wir haben in den letzten Tagen erfahren, dass das Gericht von Genua den Antrag auf Hausarrest aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt hat, den der Anwalt Sommovigo für Giuseppe Bruna gestellt hatte.
Der Gesundheitszustand von Beppe, insbesondere das Risiko eines Covids, da er vor anderthalb Jahren wegen einer schweren Bronchopneumonie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wurde nicht einmal berücksichtigt, wie z.B. die Bedingungen der mit Schimmelpilzen gefüllten Zelle, in der er festgehalten wird.
Am 1. Mai veröffentlich auf Contramadriz, Original von Round Robin , die Übersetzung ist von uns
Aktualisierungen des Scripta-Manent-Prozesses
Die erste Berufungsverhandlung des Prozesses Scripta Manent wurde für den 1. Juli im Bunkerraum der Vallette in Turin (neben dem Gerichtsgebäude) angesetzt. Die Termine für die Berufungsverhandlungen sind wie folgt festgelegt: 1., 8., 10., 15., 17., 22., 24., 29. Juli; 9., 11. und 16. September.
Es gibt so etwas wie einen Raum, ein Raum in dessem Inneren Windstille herrscht, abgeschirmt von dicken Wänden Plexiglas, in welchem Inneren sich die neue technokratische Elite aufhält, die dort arbeitet, dorthinein nur einlädt, wen sie wünscht, und in die hinein nichts dringen darf, was stören könnte. Wenn wir früher als Anarchisten gegen Politiker kämpften so sind wir heute zunehmends in der Situation, wo wir gegen einen Plexiglaswürfel kämpfen, der aber unerreichbar ist (der aber sehr wohl mit Energie und Informationen versorgt werden muss und diese Verbindungen können nicht alle abgeschirmt werden). Das Problem der Massen ist der Wunsch nach Dialog mit diesem Würfel, einen Dialog, der niemals stattfinden kann, weil dieser sakrale, sterile Ort abgeschirmt ist. All die Massen an Kritiken an den Massnahmen in denen wir uns heute wiederfinden, sind als würde man am tiefsten Talspunkt einer Burg stehen und diese Kritiken, am Wasserfall vorbei an den höchsten Punkt der Burg schreien wollen, dort wo der Fürst sitzt. In einer solchen Situation befinden wir uns heute. Die Linke und darunter speziell hervorzuheben die radikale Linke, hat sich glorreich hervorgetan als Umgarner und Komplize die Herrschaftsphantasien wahr werden zu lassen. Abgesehen von den offensichtlichsten aller Neuerscheinungen der herrschaftlichen Vorgehensweisen, möchte ich hier ein paar wenige genauer betrachten.
er war ein Mitglied der italienischen Sektion der Situationistischen Internationale. Seine erste bekannte Schrift war Il Reichstag brucia? (Brennt der Reichstag?), welche sich mit dem Anschlag am 12. Dezember 1969 in Mailiand an der Piazza Fontana auseinandersetzt. An jenem Anschlag starben 16 Personen und über 80 wurden verletzt. Sanguinetti machte damals den italienischen Staat für diesen Anschlag verantwortlich. Tragisch sollte auch der Werdegang des Anarchisten Guiseppe Pinelli werden, der für den Anschlag beschuldigt wurde und unter der Aufsicht des Kommissars Luigi Calabresi, aus den Fenster im vierten Stock rausgeworfen wurde. Seit vielen Jahren ist bekannt dass die Verantwortlichen für den Anschlag faschistische Gruppen waren die mit der NATO zusammengearbeitet haben. Ein Beispiel der sogenannten Theorie der Spannung.
Staaten bewaffnen sich. Tatsächlich entwickeln und vervielfältigen sie ihre Kriegswaffen. Krieg wird im Frieden vorbereitet. Die Nationen befinden sich derzeit in einem Zustand des Friedens. Aber der scheinbare Frieden von heute ist viel gefährlicher und bedrohlicher als der Krieg von gestern. Es ist eine Zeit des Friedens, in der man nur denkt und arbeitet, um den nächsten Krieg zu entfesseln und zu stärken. Alle Staaten wollen und bereiten sich auf einen Krieg vor. Alle Machthaber und alle Militaristen denken über den Krieg nach. Wovür würde man die Armeen benötigen, wenn es keine Kriege mehr gäbe? Alle Völker arbeiten fieberhaft für den Krieg.
“Zwischen dem 11. Juni 1940 und dem 1. Mai 1945, während des Zweiten Weltkrieges, verloren in Mailand während der Bombardierungen innerhalb von 5 Jahren 2.000 Zivilisten ihr Leben; wegen des Coronavirus ließen in der Lombardei innerhalb von zwei Monaten 11.851 Zivilisten ihr Leben, fünfmal mehr… Ein numerisch – überwältigender Zusammenhang”.
Knäste: auf einmal sind sie da. In Zeitungen, Nachrichtensendungen und Newsfeeds. Die Revolten von Gefangenen in Italien und Frankreich, sowie das Engagement von Gefangenen und ihren Unterstützer*innen in Deutschland, sorgen dafür, dass öffentlich über den Umgang mit Corona in Knästen gesprochen wird. Wie in so vielen anderen Bereichen auch, zeigt sich im Ausnahmezustand deutlich, was schon unter normalen Umständen nicht funktioniert. Die Gesundheitsversorgung in Knästen ist auch ohne Corona-Virus katastrophal. Knäste machen Menschen krank und zerstören Leben, Familien und Gemeinschaften. Es ist längst Zeit, dass wir uns Gedanken darum machen, wie Alternativen zu diesem System aussehen können. Währenddessen, dürfen wir diejenigen nicht aus dem Blick verlieren, die jetzt gerade unter ihm leiden.
Wir haben uns mit Jutta Krebs, der Frau des Gefangenen Andreas Krebs, getroffen. Der folgende Text erzählt von ihrer Situation.
Seit dem 29. Februar ist Davide in Isolationshaft (und das obwohl ein Gefangener normalerweise „nur“ bis zu 15 Tagen in Isohaft bleiben darf). Er wurde aus „Sicherheitsgründen“ aus dem Rossano Calabro Gefängnis in das Pagliarelli Gefängnis auf Sizilien verlegt. Der Richter des Strafvollstreckungsgerichts von Palermo, Dr. Agnelli, entschied am 22. April die Disziplinarmaßnahme/Zensur zu verlängern, obwohl diese bereits am 18. April ausgelaufen war. Als Begründung wurden die üblichen und ermüdenden Sicherheitsbedenken angeführt. Davide befindet sich seit dem 24. April im Hungerstreik dagegen.
Die gestrige Nachricht ist, dass – laut einer Umfrage – 72% der Italiener es für richtig halten, diejenigen bei der Polizei anzuzeigen, die sich nicht an die Anti-Pandemie-Verbote halten. Insbesondere sollten alle Versammlungen oder Feiern in den Häusern der Nachbarn gemeldet werden. Fast drei von vier Italienern spionieren das Verhalten ihrer Nachbarn aus, bereit, die Polizei zu rufen, wenn jemand es wagt, sich mit Freunden zu treffen und sich mit ihnen zu vergnügen? Und was ist mit all den potenziellen Massenmördern, die es wagen, laufen zu gehen, es wagen, mit ihren Hunden Gassi zu gehen, ihre Kinder – vielleicht mit ihren Freunden – im Freien spielen zu lassen?
Wir dokumentieren hier Auszüge aus dem Tagebuch von Andreas Krebs, das er uns schon vor ca. 2 Wochen zugeschickt hat. Wir haben manche Sätze aufgrund der besseren Lesbarkeit bzw. um staatliche Repression nicht noch weiter anzuziehen ein klein wenig verändert.
Aktuell ist Andreas seit einigen Tagen im Krankenhaus. Es geht ihm gesundheitlich so schlecht, dass der Knast ihn sogar in den Hausarrest schicken möchte, worüber aber aktuell noch juristisch entschieden werden muss. Im Krankenhaus wird er nun erstmals operiert. Wenn die OP glückt, sind seine Aussichten auf ein Überleben trotz Krebs halbwegs ok. Wenn nicht, dann geben ihm die ÄrztInnen noch ca. 3 Wochen.
Andreas lässt allen liebe Grüße ausrichten. Er ist ein Kämpfer und hat sich trotz seines Gesundheitszustands rege in unterschiedlichen Rollen an den Revolten im Knast beteiligt.
Wir fordern die sofortige Freilassung von Andreas und ein Ende der Repression gegen seine Person.
Bitte schreibt ihm weiterhin Briefe, diese geben ihm sehr viel Kraft.
ABC Wien, 12. April 2020
++++++++++++++++++++
Auszug aus meinem Tagebuch
Dienstag, den 10. Marz 2020
Die Nachrichten überschlagen sich in ganz Italien. Die Beamten tragen nun Gesichtsschutz und sind dazu veranlasst worden, auch Handschuhe zu tragen. Mittlerweile sind über vierzig Haftanstalten in ganz Italien an den Revolten beteiligt und über zwanzig Gefangene dadurch ums Leben gekommen. Sechs Gefangene durch Eigenverschulden, in dem sie die Anstaltsapotheke plünderten und sich versehentlich eine Überdosis Methadon gaben, und die anderen Gefangenen kamen durch die Staatsmacht ums Leben. So wurden einige Gefangene durch Schüsse durch die staatliche Eingreiftruppe getötet. Sollte es auch hier zum Eingreifen der Polizei kommen hilft es recht wenig, sich auf den Bauch zu legen und die Hände hinter dem Kopf zu verschränken. Denn sie nehmen keinerlei Rücksicht auf Unbeteiligte und schlagen alle Gefangenen zusammen. Wenn es soweit kommt, so hoffe ich, dass es nicht ganz so heftig wird.
Unter anderen wird die Gruppe “Rivoluzione Nazionale” von den
Bullen auf Strafbestände durchgeforstet, über die sich in etwa 2500
Leute angefangen hatten zu organisieren um gegen die Massnahmen des
Staates zu bestehen. (Wir spekulieren hier nicht über die Mitglieder und
welchem Milieu sie zuzuordnen wären, weil wir hier keine Bullenarbeit
machen.)
Sein Name ist mir letzte Woche buchstäblich in den Sinn gekommen. Ich war unterwegs, um Brot zu holen, und als ich in der Bäckerei ankam, zählte ich instinktiv diejenigen der Kunden, die dort ein- und ausgingen, die die Maske trugen. Dort ist mir das passiert. Mir wurde plötzlich klar, dass ich gerade die Zählung des deutschen Philologen Victor Klemperer, eines Zeugen und Gelehrten des Aufstiegs des Dritten Reichs, wiederholt hatte: “Unsere Moral ändert sich von Tag zu Tag. Wir zählen, wie viele Menschen in den Geschäften “Heil Hitler!” und wie viele “Guten Morgen” sagen. Gestern sagten in der Bäckerei fünf Frauen “Guten Morgen” und nur zwei “Heil Hitler”: Die Moral steigt. Heute, in der Metzgerei, sagten alle: “Heil Hitler”… die Moral geht unter.” Ich gebe zu, dass ich genau in diesem Moment ein Frösteln im Nacken verspürte.
Seit dem Inkrafttreten der Notverordnung zur Eindämmung der Ansteckung mit dem Virus hat die Wut in den Gefängnissen nicht lange auf sich warten lassen. Tatsächlich wurde das Besuchsverbot, das in einigen Gefängissen bereits in Kraft war, auf alle Gefängnisse ausgedehnt. Es würde sehr lange dauern, alle 27 Gefängnisse aufzulisten, in denen Unruhen ausbrachen. Revolten, die zu mehr oder weniger vorübergehenden Umwälzungen der Gefängnisrealität geführt haben (die auf nichts anderes als die Vernichtung und Entpersönlichung des Individuums abzielt): Gefängnisse und Einrichtungen für die Wärter in Flammen, besetzte Strukturen, Gefangene auf den Dächern, Umkehrung der Wärter – Gefangenen Rollen mit der Geißelnahme ersterer, verbrannte Dokumente, versuchte und erfolgreiche Fluchten.
In Mailand hat heute Morgen eine Gruppe von Solidarischen die
Polizeikontrollen umgangen um mit dem Fahrrad an das Gefängnis von San
Vittore zu fahren. Während eine Gruppe rufend nach Neuigkeiten von den
Häftlingen von der Piazza Aquileia fragte, ging eine andere vor der
Frauenabteilung und der fünften Abteilung vorbei, um ihre Solidarität
auszurufen, sowie um von den Unruhen zu erzählen, die bezüglich des
Opera – Gefängnisses und im restlichen Italien passierten und wie sie
unterdrückt wurden. Auch die Situation vom draußen, des Ausnahmezustands
wurde erläutert. Leider gab es keine Reaktion von drinnen, anders als
in den vergangenen Tagen, wo uns diese unsere Herzen erwärmt hat. Wurde
die ganze Abteilung wirklich unbenützbar gemacht und sind die Insassen
deshalb verlegt worden? Hat die harte Repression entmutigt und die
Kommunikation zwischen Innen und Aussen noch schwieriger gemacht? Die
Präsenz der Solidarität ist und wird in diesen Tagen notwendig sein,
unser Wille, die Verordnungen in Frage zu stellen, um als erste die
Verantwortung für unsere eigene Sicherheit und die der Menschen um uns
herum zu übernehmen. Eine Gruppe von Solidarischen erreichte auch die
Mauern des Opera – Gefängnisses. Nach einigen Feuerwerken konnten sie
ein paar Worte mit den Gefangenen wechseln, die um Hilfe riefen und
sagten, sie seien hungrig und ängstlich. Sie wiederholten auch, dass sie
kein Fernsehen, keine Dusche, kein Essen hatten, keine Pakete, keine
Post, keine Telefonanrufe, keine Ersatzinterviews erhielten, dass sie
nur eine halbe Stunde Luft hatten und dass sie zu Tode geprügelt worden
waren. Die Patroullie vor dem Gefängnis schaltete die Sirene ein um das
Gespräch zu blockieren. Wir erfuhren auch, dass einer der Jungen, der
als einer der Täter des Aufstandes identifiziert wurde, versetzt wird.
“Der Zweck des Terrors und seiner Taten ist es,
die Anpassung der Menschen an sein Prinzip auf vollständige Art zu
erpressen, so dass auch sie letztlich nur einen Zweck erkennen: den der
Selbsterhaltung. Je mehr Menschen skrupellos ihr eigenes Überleben im
Blick haben, desto mehr werden sie zu psychologischen Marionetten eines
Systems, das keinen anderen Zweck hat, als sich selbst an der Macht zu
halten”.
Leo Löwenthal, 1945
Hier sind wir also. Vor einigen Stunden
wurde der landesweite Gesundheitsnotstand ausgerufen. Eine praktisch
totale Sperre. Halbverlassene Straßen und Plätze. Verboten – das Haus ohne einen von den Behörden als gültig erachteten Grund zu verlassen (von wem? aber natürlich von den Behörden). Verboten – sich zu treffen und zu umarmen. Verboten –
jegliche Initiative zu organisieren, die auch nur ein Minimum an
menschlicher Präsenz (von Parteien bis hin zu Kundgebungen) vorsieht. Verboten –
einander zu nahe zu sein. Aussetzung jeglicher Geselligkeit. Die
Ermahnung, soviel wie möglich im Haus eingeschlossen zu bleiben und sich
In Erwartung von Neuigkeiten an ein elektronisches Gerät zu klammern.
Die Verpflichtung zur Befolgung von Direktiven. Die Verpflichtung, immer
eine “Selbstzertifikat” (Passierschein) mitzuführen, das die eigenen
Bewegungen rechtfertigt, auch wenn man zu Fuß geht. Für diejenigen, die
sich solchen Maßnahmen nicht unterwerfen sollten, gibt es Sanktionen,
die Festnahme und Inhaftierung bedeuten kann.
Nun
ist schließlich jenes destabilisierende Ereignis eingetroffen, dass das
kapitalistische System blockieren könnte. Und anders, als wir uns das
vorgestellt haben, ist die Ursache dafür nicht das Handeln einer Gruppe
von Revolutionären oder einer sozialen Gruppe eines Territoriums oder
gar einer Bevölkerung im Aufstand. Das Ereignis entsteht im
kapitalistischen Körper selber und breitet sich in ihm mit der gleichen
Geschwindigkeit aus, mit der sich ein Virus in einem organischen Körper
ausbreitet, wobei dadurch verschiedene Funktionen des Systems blockiert
werden.
Nun ist schließlich jenes destabilisierende Ereignis
eingetroffen, dass das kapitalistische System blockieren könnte. Und
anders, als wir uns das vorgestellt haben, ist die Ursache dafür nicht
das Handeln einer Gruppe von Revolutionären oder einer sozialen Gruppe
eines Territoriums oder gar einer Bevölkerung im Aufstand. Das Ereignis
entsteht im kapitalistischen Körper selber und breitet sich in ihm mit
der gleichen Geschwindigkeit aus, mit der sich ein Virus in einem
organischen Körper ausbreitet, wobei dadurch verschiedene Funktionen des
Systems blockiert werden.
Andreas kontaktierte
heute Abend völlig überraschend telefonisch seine Frau Jutta, was
sehr außergewöhnlich ist, da normalerweise die Telefonzeiten sehr
streng geregelt werden. Offenbar steht eine völlige Kontaktsperre ab
morgen am Programm, zusätzlich zum seit letzter Woche in Kraft
getretenen totalen Besuchsverbot. Auch Anwält_innen dürfen die
Gefangenen nicht mehr besuchen. Für die Gefangenen in den
italienischen Knästen ist das fatal, da sie in ihrem Alltag auf ihre
Familien und Freund_innen angewiesen sind. Die ausreichende
Versorgung mit Lebensmittel wird in den meisten Fällen von den
Knästen nicht gewährleistet, weswegen der Besuch neben der
willkommenen Ablenkung eine überlebenswichtige Funktion innehat.
Andreas
gesundheitlicher Zustand ist massiv bedenklich. Er war über das
Wochenende lang drei Tage bewußtlos. Eine Anstaltsärztin kümmert
sich aktuell intensiv um ihn, diagnostiziert aber eine Streuung des
Krebs. Andreas muss dringend in ein Krankenhaus und raus aus dem
Knast, sonst stirbt er dort.
Aufgrund des
heruntergefahrenen Betriebs im italienischen Justizbereich können
wir auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass die
Berufungsverhandlung so bald startet.
Lasst Andreas sofort frei! Lasst alle Gefangenen frei!
Schreibt Andreas –
Post kommt (noch) durch!
Alle Infos zur Situation von Andreas auf dem Soliblog oder hier bei uns!
Zwar gibt es für den „Coronavirus-Notfall“ Maßnahmen, die zumeist aus Verboten bestehen, doch scheint sich niemand um einen Ort zu sorgen, an dem das Ansteckungsrisiko sehr hoch ist: im Gefängnis.
Die Proteste in den Gefängnissen weiteten sich in ganz Italien aus.
Darum gibt es die Idee, pensionierte Justizwachebeamte wieder in den
Dienst zu holen.
Flucht aus Foggia: In Foggia, Puglia haben etwa 250 – 300 Gefangene
einen gewalttätigen Protest gestartet um etwas gegen die Entscheidung zu
tun, die Besuche der Angehörigen komplett aufzuheben.
11:00 Der Protest ist im Gange, im Inneren des
Gefängnisses versuchen die Aufstandseinheiten die Lage unter Kontrolle
zu bringen. Draussen patroullieren Polizei und Carabinieri gemeinsam auf
den Strassen. Einer Gruppe Gefangener ist es gelungen zu den Mauern zu
gelangen, mit dem Versuch auszubrechen, wie das schon in anderen
Gefängnissen in Italien geschehen ist. In diesem Zusammenhang wird
zumindest ein Insasse verletzt.
11:30 In Villaggio Artigiani (Provinz von Foggia)
versuchen etwa 20 Gefangene, denen der Ausbruch gelungen ist, Autos zu
übernehmen. Angeblich wurde ein Mechaniker bedroht und beraubt.
12:30 Giuseppe Martone, vom Verwaltungsamt für die
Justizadministration von Puglien ist am Gefängnis um mit einer
Delegation der Gefangenen zu diskutieren um einen Stopp der Proteste zu
erreichen.
13:30 Es ist nicht klar wieviele Gefangene in die
Freiheit gelangten, nicht offizielle Daten sprechen von 30 – 40
Gefangenen, von welchen etwa die Hälfte schon wieder angehalten wurde,
während der Rest gesucht wird. Ein Hubschrauber der Polizei ist im
Einsatz. Einige wurden in Bari gefunden, ein anderer in Orta Nova,
andere wieder in via Galliani und in via Capozzi, in Foggia.
15:00 Etwa 50 Gefangenen gelang es heute morgen das
Tor des “black house” aufzubrechen, welche das Gefängnis von der Strasse
trennt und folglich zu fliehen. 36 wurden wieder gefangen.
16:30 Einige Gefangene kommen “spontan” wieder ins Gefängnis zurück. Die Proteste im Inneren gehen weiter.
19:00 Nach einem Treffen mit dem Präfekt und dem
Verwaltungsamt haben die Inhaftierten von Foggia entschieden wieder in
die verwüstete Gefangenenanstalt zurückzukehren. Es wurde ein
“Kompromiss” gefunden, welcher es den Justizwachebeamten erlaube eine
Bestandsaufnahme zu machen um herauszufinden, wieviele und wer der
Häftlinge ausgebrochen seien. Es seien mehr als 30 Geflohene, einige
seien mit Autos getürmt.
Zu den Revolten in den Knästen in Italien, konnten wir erfahren, dass
im Knast von Foggia, um die 370 Gefangene ausgebrochen sind. Ein Tor
des Knastes wurde aufgebrochen und aus diesem konnten die Gefangene
fliehen. Einige Gefangene sollen Autos angehalten haben und die
FahrerInnen raus gezogen haben um zu fliehen. Nicht desto trotz sind bis
jetzt die meisten der Gefangenen schon wieder erwischt worden.
Wie seit heute die deutschsprachigen Medien berichten, finden seit wenigen Tagen in Italien, aber auch in anderen Ländern der EU, Aufstände innerhalb der Gefängnisse statt. Alles hat mit der Ausrede für mehr Paranoia und der Verschärfung der Militarisierung des Alltages zu tun, was in diesen Tagen auch bekannt ist als Coronavirus. Mit dem Einwand dieser „Epidemie“, werden in Italien den Gefangenen nicht mehr erlaubt, dass sie von ihren Angehörigen Besuche kriegen dürfen. Gefangene dürfen nicht mehr die Zelle verlassen, rundum die Lage in den Knästen hat sich seit dem Auftreten von Coronavirus noch mehr verschlechtert. Dies in alten und seit langem überfüllten Knästen, was seit jeher ein chronisches Problem in Italien ist. Zugespitzt hat sich die Lage, nicht nur Aufgrund der massiven Repression gegen Gefangenen durch Schließer*innen und Aufstandseinheiten der Bullen, sondern jetzt auch, durch dass Ausrücken der Armee, siehe Video, um die Lage unter Kontrolle zu kriegen. Hier sind auch Videos von Intervention der Bullen in den Knästen von Foggia, Mailand, San Vittore, I, II und Modena.
26.09.24 | 20:00 Mein Genosse, der Spitzel. Über Security Culture und dem Umgang mit verdeckten Ermittler*innen und anderen Informant*innen @ekh [mehr Infos]
28.09.24 | 20:00 ABC Solidarity Ball - Dress up and celebrate with us! @ekh more infos soon!
ABC-Schreibwerkstatt
Aufgrund des fehlenden Interesses findet die offene Schreibwerkstatt im Moment nicht mehr statt.
Monatliches Infoblatt von ABC Wien
Internationale Woche der Solidarität mit anarchistischen Gefangenen
Internationaler Tag der Solidarität mit Marius Mason & allen anarchistischen Langzeitgefangenen