Nichtvegane Verpflegung, Isolation, Langeweile, eineinhalb Stunden Tageslicht und Besuch nur über Gitter und Plexiglas. Das sind nur einige der Bedingungen in den Gefängnissen, in denen unsere Freunde festgehalten werden. Im nachfolgenden Artikel dokumentieren wir die tägliche Realität der inhaftierten Anarchisten sowie Möglichkeiten, sie zu unterstützen. Wir rufen auf zur Unterstützung aller drei (mittlerweile vier, d.Ü.) Inhaftierten und im Moment (das war vor einer Woche am 23.6., d.Ü.) vor allem für Martin, für den eine weitere Woche kritisch sein kann. Wir rufen auch auf, Druck auf das Gefängnis Pankrac auszuüben, um insbesondere Martins Verpflegung und die generellen Bedingungen zu verbessern. Für diejenigen, die noch wenig über die Operation Phönix wissen, haben wir in der Einleitung eine kurze Zusammenfassung geschrieben. Mehr über den aktuellen Fall und Repression (nicht nur) in Tschechien findet ihr auf AntiFénix. (hauptsächlich Tschechisch, aber auch Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch) Bitte verbreitet diesen Aufruf weiter!
Operation Phönix, Polizeispitzel und ein ausgedachter Überfall
Ende April diesen Jahres begann eine Polizeiaktion gegen die anarchistische, radikal linke und antiautoritäre Bewegung plus der Tierbefreiungsbewegung in Tschechien. Die Polizei nannte diese Aktion „Operation Phönix“ (Operace Fénix).
In einer ersten Welle wurden einige Leute zu Verhören geladen und verhaftet, in vielen Wohnungen und sozialen Zentren fanden Razzien statt. Die Polizei beschlagnahmte einen Server, viele Computer, USB-Sticks, Fotoapparate, Mobiltelefone und andere digitale Geräte. Bisher wissen wir nicht, wie umfassend die ganze Aktion ist, wie viele von uns verfolgt werden und was die Polizei damit eigentlich bezweckt. In vielen Fällen hat die Polizei wichtige Fakten frei erfunden oder aber verheimlicht, um die Genehmigung für Hausdurchsuchungen und Verhaftungen zu bekommen.
Die größte mediale Aufmerksamkeit erhielt die Causa des „ultralinken Terrorismus“. Von ursprünglich elf Verhafteten blieben drei im Gefängnis – Aleš, Petr und Martin – die „Phönix 3“, die noch auf einen Richterspruch warten. Petr und Martin sind der „Planung eines terroristischen Anschlags“ angeklagt, während Aleš wegen unerlaubter Bewaffnung belangt werden soll.
Heute wissen wir bereits, dass der ganze „Anschlag“ auf einen Militärzug, dem die Polizei mit der Verhaftung von Petr, Martin und einigen anderen Leuten (die zwar angeklagt, aber auf freiem Fuß sind) zuvorkam, von (mindestens) zwei eingeschleusten Spitzeln geplant wurde. Die geschulten Polizisten infiltrierten eine Gruppe von Freunden und beschafften sich so weitere Informationen und Vertrauen. Zu der Zeit, als sie veranlassten, dass ihre neuen „Freunde“ abgehört und beobachtet werden, begannen sie verstärkt von militanteren Aktionen zu reden und solche zu planen.
Martins Anwalt sagte im Interview folgendes: Er betrachtet die ganze Sache als das Ergebnis einer polizeilichen Provokation und hatte nie vor, einen terroristischen Anschlag auszuführen. Er meint selbst, wäre er nicht zwei Polizeiagenten begegnet, wäre er nie in die gegenwärtigen Schwierigkeiten geraten.
Es war die selbe Polizei, die sich die ganze Aktion ausgedacht hat. Ohne ihre Initiative hätte es die ganze Causa nicht gegeben. Ihr Ziel war, die Bewegung zu diskreditieren, einzuschüchtern und zu spalten und Informationen über weitere Gruppen, Aktivitäten und Individuen zu sammeln.
Mehr dazu auf Englisch z.B. bei CrimethInc.
Phönix 3, Bedingungen im Knast, Einsamkeit und Hunger
Darüber, was die Polizei über die einzelnen Angeklagten behauptet, ging eine Sensation nach der anderen durch die tschechischen Blätter. Unterdessen kam es aber nicht zu irgendeinem Urteil, weshalb die Angeklagten als unschuldig betrachtet werden müssten. Die Realität sieht aber so aus, dass nicht nur in den Medien (von denen wir nichts besseres erwarten können als Sensationshunger) sondern auch im Gefängnis die Unschuldsvermutung irgendwie vergessen wurde und die Angeklagten behandelt werden, als seien sie schon verurteilt.Alle drei wurden auf verschiedene Knäste verteilt. Petr ist in Ruzyni, Martin in Pankrác und Ale¿ wurde vor kurzem nach Brno verlegt. Petr hatte wenigstens die Möglichkeit, sich mit anderen Gefangenen zu treffen, wenn auch nur für ein paar kurze Momente. Aleš ist in Einzelhaft ohne jegliche Gelegenheit sozialer Kontakte. B Beide dürfen einmal alle zwei Wochen für höchstens 90 Minuten Besuch empfangen, der auf vier Personen beschränkt ist. Ausgang erhalten sie für 90 Minuten täglich, für sich allein im beengten Gefängnishof.Martin wurde Anfang Juni ins Untersuchungsgefängnis Pankrác verlegt und seine schon nicht beneidenswerten Bedingungen wurden weiter verschärft. Er ist von anderen getrennt in einer kleinen Einzelzelle untergebracht. Ihm wurden auch Dinge des täglichen Bedarfs abgenommen, sowie das ihm geschickte Geld nicht ausgehändigt. Das bedeutet im Gefängnisalltag unter anderem auch, dass Martin kein Radio erhalten kann, dessen Eingangskontrolle von Martins Geld bezahlt werden muss. Besuchern, auch seinem Verteidiger, begegnet er nur über Gitter und Plexiglas mit angelegten Handschellen, die ihm auch für den täglichen einsamen Hofgang von 90 Minuten im wenige Quadratmeter großen zubetonierten Auslauf nicht abgenommen werden.Sehr schlecht geht es Martin auch, was die Essensversorgung betrifft. Als Veganer (Martin ist freegan) steht im nach den Statuten des Gefängnis Pankrác vegane Versorgung zu, er erhält aber nicht einmal vegetarische Nahrung. Martin wurde die „muslimische Alternative“ angeboten, was bedeutet dass sein Essen abgesehen von Schweinefleisch weiterhin aus Fleisch und tierischen Produkten bestünde, also eindeutig nicht vegan. Martin bekommt nicht genügend Nahrung! Mehr noch, wie auch Ale¿ und Petr darf er nur einmal alle drei Monate ein 5kg schweres Päckchen empfangen, dessen Inhalt stark beschränkt ist. Mal ganz abgesehen davon, dass eine ausreichende Essensversorgung vom Gefängnis sichergestellt werden muss, nicht von Leuten draußen!Für Martin kann jeder weitere Tag kritisch sein!
Wir rufen auf zur solidarischen Unterstützung aller drei Gefangenen, insbesondere Martin, der hungert. Es gibt eine ganze Reihe Möglichkeiten, die auch mit wenigen Leuten funktionieren.
- Erstens ist es möglich, den Leiter des Gefängnis Pankrác zu besuchen, anzurufen, anzuschreiben und die Einhaltung ihrer eigenen Vorschriften zur Versorgung der Gefangenen fordern: Vězeňská služba ČR, Vazební věznice Praha — Pankrác, P. O. Box 5, 140 57 Praha 4, telefon: +420 261 031 111, email: vvpankrac@vez.pan.justice.cz
- Schön sind Solidemos, Informationsveranstaltungen. Im Ausland kann auf die Botschaft Druck ausgeübt werden: Adressen für Deutschland: http://www.mzv.cz/berlin/de/visa_und_konsularinformationen/ortliche_zustandigkeit_konsularischer.html
- Informationen streuen, mit Verweis auf die Seite Antifenix.noblogs.org
- Lasst eurer Kreativität freien Lauf, nutzt, wo ihr euch sowieso engagiert: Benefizkonzerte, Graffiti, Banner, Besetzungen, Lieder, und und oder…
- Wichtig ist auch finanzielle Unterstützung. Rechtliche Unterstützung für die Gefangenen und andere Angeklagten ist mit großen finanziellen Ausgaben verbunden. Wir freuen uns über jede Form von Benefizaktionen.
Die Bankverbindung: 8760190237/0100
IBAN CZ98 0100 0000 0087 6019 0237
SWIFT CODE: KOMBCZPPXXX (KOMBCZPP)
Fast alles lässt sich nutzen, sich gegen Repression zu wenden oder die Inhaftierten zu unterstützen. Wie Petr in seinem Brief schreibt: „Teure Freunde, Mein größter und inbrünstiger Wunsch ist, dass ihr bleibt wie ihr seid und euch nicht einschüchtern lasst. Mein lebenslanges Credo ist der Glaube an Menschen als solche und auch mein Aufenthalt im Gefängnis bestärkt mich darin nur. Auch hier zwischen den Gefangenen und Wärtern finde ich in den Menschen solches Verlangen nach wirklicher Freiheit [¿]. Passt auf euch auf und Danke. Mit brüderlicher Umarmung, Petr S.“
Nichtsdestotrotz überlegt euch, welche Form der Unterstützung ihr wählt, damit ihr die Lage nicht noch verschlimmert.Neben theoretischen, informativen und kommunikativen Aktivitäten und der Koordination von Unterstützung organisieren wir regelmäßig Solidemos und Briefaktionen. Briefe sind für Gefangene der grundsätzliche Kontakt zur Außenwelt, von der sie ansonsten abgeschnitten sind. Wenn ihr nicht nach Prag kommen oder eine eigene Briefaktion organisieren könnt, aber trotzdem ins Gefängnis schreiben wollt, gibt es dafür mehrere Möglichkeiten. Schickt euren Brief per Mail an antifenix(at)riseup.net und wir leiten ihn ausgedruckt weiter, oder fragt per Mail nach Adressen.[1] Das AnarchistBlackCross und andere Gruppen haben Leitfäden zum Briefe schreiben, deren Lektüre wir vorher empfehlen.[2]Ein paar Leute mit Pfeifen und lauten Stimmen, die spontan an der Gefängnismauer spazieren gehen, können den Gefangenen viel Kraft und Energie spenden. Auch wenn der konkrete Gefangenen vielleicht nichts hört, erreicht ihn doch die Nachricht über solche Aktionen. Ja, es ist möglich, dass dadurch die Haftbedingungen noch verschlechtert werden, aber alle drei begrüßen solche Besuche ausdrücklich, und das sollte für uns oberste Priorität haben.Petr schrieb nach einer Sponti in Ruzyni: „Am Samstag hörte ich eine Soliaktion! Mit Worten lässt sich gar nicht ausdrücken, welche Kraft das einem Menschen gibt! Ich danke euch, Schwestern und Brüder“Martins Schwester berichtet: „Am Samstag, 6.6., als draußen vor Pankrác und Ruzyni Proteste stattfanden, wurde ihm (Martin, d.R.) gesagt, dass seine Haftbedingungen verschärft werden, wenn seine „Freundchen“ damit weitermachen sollten. Martin sagte mir, ich soll euch ausrichten, dass die Proteste weitergehen sollen und ruhig noch öfter und lauter. Diesen Protest hörte er, danach wurde er aber in eine andere Zelle verlegt, die nur ein kleines Fenster zum Hof hin hat. Der Rückhalt, den er sowohl von seiner Familie, als auch von allen Freunden bekommt, bedeutet für ihn viel, wie wohl auch für Petr und Aleš.“Aleš schrieb in seinem Brief: „Vielen Dank für die Solidarität, für die erwiesene Sympathie und die Ermunterungen. Grüßt die Leute draußen und richtet ihnen herzliche Umarmungen und Küsse aus“Unsere Waffe ist die Solidarität
Mit dem Appell an die Unschuldsvermutung wollen wir auf der anderen Seite darauf hinweisen, wie die Elemente, die Menschen wegen der Nichteinhaltung von Gesetzen (denen wir nicht zustimmen müssen und die wir vor allem in keiner Weise beeinflussen können) verfolgen und einsperren, selbst paradoxerweiße die Regeln missachten, die fordern, die Phönix Drei (Martin, Petr und Aleš) von dem Haufen Lügen, die über sie geschrieben worden, freizusprechen. In unseren Augen bleiben alle drei Kameraden, Freunde, Genossen oder zumindesten Menschen, die viel Unterstützung verdient haben, selbst wenn sie vor Gericht verlieren und verurteilt werden.Verurteilt und eingesperrt wegen einer polizeilich provozierten Aktion, die nie stattfand. Verurteilt in einem konstruierten Prozess. Verurteilt in einer neuen „Hexenjagd“, die genauso gut jeden von uns hätte treffen können. Verurteilt für die Artikulation von Widerspruch mit Herrschaft und Ungerechtigkeit.
Die alleinige Funktion und Notwendigkeit des Gefängnissystems werden wir nicht unterstützen oder legitimieren, egal ob die „Phönix Drei“ für schuldig befunden werden oder nicht.Für Aleš, Martin und Petr ist zur Zeit das Wichtigste die Unterstützung von draußen. Im Gefängnis läuft die Zeit anders. Während wir den Sommer nutzen, sitzen die drei in völliger Isolation, ohne Grün, Gesang von Vögeln, Baden im Fluss, Fahrradausflüge, Lagerfeuer, ihre Freunde, freundliche Worte, Umarmungen, Streicheln, Liebe, Bewegungsfreiheit, Sonne im Gesicht und schlussendlich fast ohne Essen.„Meine größte Quelle von Verzweiflung, die indes nicht bedeutend ist, ist die Abwesenheit meiner Lieblingsmusik, der herrlichen Natur, die ich so liebe, meiner Lieblingsorte, an die ich so gern zurückkehre und wo ich tief versunken über das Leben nachdenke. Die Orte, wo ich über Tod, Liebe und Hass philosophiere. Oder die Gedanken an jemanden, mit dem ich die Liebe teile zu den Ideen und Träumen von einem wirklichen Leben im Mikrokosmos unendlicher Anarchie“ Aleš K.Solidarität ist für uns antiautoritär Gesinnte eine grundlegende Idee und eine der stärksten Waffen, da sie nicht mit physischer Gewalt bezwungen werden kann. Sobald sie wissen, dass wir hier überall für sie da sind, entschlossen was immer zu tun, sie zu unterstützen und ermutigen, legen sie sich einen Panzer an und sind nicht mehr so leicht zu brechen. Sie müssen wissen, dass wir für sie da sind!“ Martins Schwester [1] Aleš hat mittlerweile um Veröffentlichung seiner Adresse gebeten:
Aleš Kočí 13.8.1978
Vazební věznice a ústav pro výkonu zabezpečovací detence Brno
P.O.BOX 99
625 99 Brno-Bohunice
[2] die auf die tschechische Situation angepasste Version bedarf noch Übersetzung, im Großen und Ganzen sollten aber auch die auf Deutsch oder Englisch verfügbaren Texte zutreffen.